Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Pfändung eines Kontos, auf das die sog. Corona-Soforthilfe eingezahlt wurde

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die sog. Corona-Soforthilfe ist als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar und unterliegt damit dem Pfändungsverbot nach § 851 Abs. 1 ZPO.

2) Sofern der Vollstreckungsschuldner mit der Pfändung in die Corona-Soforthilfe schwerwiegende Nachteile glaubhaft machen kann (Anordnungsgrund), kann die Vollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung – gestützt auf einen Anspruch auf Vollstreckungsschutz gemäß § 258 AO (Anordnungsanspruch) – ausgesetzt und die Auszahlung der Corona-Soforthilfe angeordnet werden.

 

Normenkette

AO § 258; ZPO § 851; FGO § 114

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, den als NRW-Soforthilfe 2020 an den Antragsteller überwiesenen Betrag im Hinblick auf eine bestehende Pfändungs- und Einziehungsverfügung freizugeben.

Der verheiratete Antragsteller ist seit mehreren Jahren unter der Bezeichnung „J-Immobilienservice N-Stadt” als Immobilienvermittler tätig. Er ist zudem Kommanditist der inzwischen insolventen J-Immobilien N-Stadt GmbH & Co. KG (Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 19.05.2020).

Am 04.06.2019 erließ der Antragsgegner u.a. eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die sich auf Konto des Antragstellers mit der IBAN xxx bei der Deutschen Bank in Essen bezog. Dieses Konto wurde und wird als Pfändungsschutzkonto geführt. Der monatliche Freibetrag beläuft sich auf 1.179,99 EUR. Die den Vollstreckungsmaßnahmen zugrunde liegenden Forderungen des Antragsgegners betrugen insgesamt 7.461,75 EUR (insbesondere Umsatzsatzsteuer 2017).

Unter dem 13.01.2020 lud der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 284 Abgabenordnung (AO) zur Abgabe der Auskunft über sein Vermögen. Die Rückstände des Antragsgegners beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf insgesamt 59.172,82 EUR. Auf die der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft beigefügte Zusammenstellung wird Bezug genommen. Der Antragsteller gab am 19.02.2020 die Vermögensauskunft ab und versicherte die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt.

Am 08.05.2020 beantragte der Antragsteller bei der Bezirksregierung N-Stadt die Gewährung der NRW-Soforthilfe 2020 in Höhe von 9.000 EUR, die am selben Tag bewilligt und am 13.05.2020 auf das o.g. Konto des Antragstellers überwiesen wurde.

Nachdem die E-Bank ihm mitgeteilt hatte, dass der Antragsteller wegen der Pfändung des Kontos über die Soforthilfe nicht verfügen könne, stellte der Antragsteller einen Antrag auf Einstellung der Kontenpfändung beim Antragsgegner. Der Antrag hatte keinen Erfolg (Schreiben vom 03.06.2020 und vom 09.06.2020).

Mit seinem am 10.07.2020 bei Gericht gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz begehrt der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, die Mittel aus der Soforthilfe freizugeben. Zur Begründung macht er geltend, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vorliege. Die uneingeschränkte Aufrechterhaltung der Pfändung würde für ihn, den Antragsteller, schwerwiegende Nachteile zur Folge haben und sei daher unbillig im Sinne des § 258 AO. Er benötige die Mittel aus der Soforthilfe zur Deckung seiner Betriebsausgaben. Hierin liege der Zweck der Soforthilfe. Ergänzend verweise er auf den Beschluss des FG Münster vom 13.05.2020 (1 V 1286/20 AO) und den Beschluss des LG Köln vom 23.04.2020 (39 T 57/20). Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor. Ihm, dem Antragsteller, drohe der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz, falls ihm die Soforthilfe versagt werde. Er erziele ausschließlich Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Immobilienvermittler. Seine monatlichen Betriebsausgaben lägen bei ca. 3.600 EUR (Fahrzeugleasing: 1.178 EUR, laufende Kfz-Kosten: 300 EUR, Fremdarbeiten: 1.500 EUR, Telefonkosten: 120 EUR, Insertionskosten: 350 EUR, sonstige Kosten: 200 EUR). Seit dem 01.03.2020 hätten seine Einnahmen bei 0 EUR gelegen. Auf die der Antragsschrift beigefügte eidesstattliche Erklärung des Antragstellers wird im Übrigen Bezug genommen.

Nachdem das Gericht Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme gegeben hat, trägt der Antragsteller (mit Schriftsatz vom 21.07.2020) ergänzend vor: Er sei nach wie vor als Immobilienvermittler tätig, wobei er mit der Vermittlung von Neubauobjekten befasst sei, was zur Folge habe, dass zwischen dem Beginn der Vermarktung und der Realisierung der Umsätze ein längerer Zeitraum liege. Seit Ende Februar 2020 gebe es ein Projekt, das Erlöse von mehr als 100.000 EUR einbringen könne. Trotz der aktuell (corona-bedingt) geringeren Nachfrage nehme er die laufenden Betriebsausgaben in Kauf, um dieses Projekt am Markt sichtbar zu präsentieren. Für die Begleichung der Kfz-Leasingkosten habe er daher ein Privatdarlehen aufgenommen, wobei er davon ausgegangen sei, dass er dieses aus den Mitteln der Soforthilfe kurzfristig zurückzahlen w...

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