Entscheidungsstichwort (Thema)
"Vorläufige" Abzweigung von Kindergeld durch Regelungsanordnung
Leitsatz (redaktionell)
1) Ist glaubhaft gemacht, dass ein kindergeldberechtigtes Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber dem in Ausbildung befindlichen Kind nicht erfüllt hat, hat das Kind gemäß § 114 FGO Anspruch auf "vorläufige" Abzweigung bis zur Entscheidung seiner Klage auf Abzweigung des Kindergelds nach § 74 EStG, sofern die Regelung notwendig ist, den Unterhalt des Kindes sicherzustellen.
2) Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht der Regelungsanordnung nicht zwingend entgegen.
Normenkette
EStG § 74; FGO § 114 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
I.
Streitig ist die Abzweigung des Kindergelds an die Antragstellerin (Astin.), die Tochter der Beigeladenen (Beigl.).
Die Astin. ist am 00.00.0000 geboren. Sie besuchte bis zum Juni 2009 im Berufsgrundschuljahr das … Berufskolleg in N. Im August 2009 begann die Astin. eine Lehre, aus der sie ab 12.08.2009 Einnahmen in Höhe von 540 EUR erzielt (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse). Mit Antrag vom 11.05.2009 (Eingangsstempel bei der Antragsgegnerin – Ag. – 19.05.2009) beantragte die Astin. die Abzweigung des Kindergelds, das bisher an die Beigl. ausgezahlt worden war, ab Juni 2009 an sich selbst. Sie erklärte, sie lebe in der Wohnung der Eltern ihres Freundes, A-straße 16 in 00000 N. Sie erhalte weder von ihrem Vater, der in E lebe, noch von der Beigl. Unterhalt. Sie lebe bereits seit einem Jahr bei ihrem Freund und sei dort seit Januar 2009 auch gemeldet. Der Kontakt mit ihren Eltern sei immer schwieriger geworden. Wegen ihrer Unterhaltsansprüche habe sie Kontakt mit einem Anwalt aufgenommen.
Die laufende Kindergeldzahlung an die Beigel. wurde am 26.05.2009 ab Juni 2009 eingestellt. Gleichzeitig teilte die Ag. der Beigl. den Vorgang mit und gab dieser Gelegenheit zur Äußerung, ob und ggf. in welcher Höhe sie für das Kind tatsächlich monatlich Unterhalt leiste, z. B. durch Geld-, Sach- oder Betreuungsleistungen, wozu auch das Kindergeld gehöre, wenn dieses weitergeleitet werde.
Daraufhin teilte die Beigl. mit Schreiben vom 28.05.2009, das am 03.06.2009 bei der Ag. einging mit, sie leiste regelmäßige Zahlungen und Höhe von 185 EUR monatlich, davon 100 EUR bar aufs Konto, 35 EUR für die Buskarte und ca. 50 EUR für eine Handykarte und was die Astin. sonst noch brauche. Für den Monat Mai 2009 seien sogar 165 EUR gezahlt worden. Das Handy sei bis zum 25.05.2009 in Gebrauch gewesen. Im Sommerurlaub 2008 habe das Kind 600 EUR erhalten und als Weihnachtsgeschenk 2008 Laptop und Port für 600 EUR. Sie könne für ihre „Prinzessin” nicht mehr ausgeben, als sie habe. Das Kind vergesse immer, dass drei Kinder vorhanden seien. Ferner fügte die Beigl. ein Schreiben des Rechtsanwalts R, Kanzlei …, N, vom 26.05.2009 bei, auf das Bezug genommen wird.
Daraufhin lehnte die Ag. am 10. Juni 2009 den Antrag auf Abzweigung des Kindergelds ab, da von der Beigl. Barunterhalt in Höhe des Kindergeldes gewährt werde.
Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 01.07.2009 machte die Astin. geltend, sie habe im Monat Juni keinen Barunterhalt von der Beigl. erhalten. Sie werde zur Zeit von den Eltern des Freundes unterstützt und habe ab dem 01.08.2009 eine Lehrstelle in T, für die sie eine Fahrkarte brauche. Im Einspruchsschreiben war eine Übersicht der Kontobewegungen des Kontos 000 000 000 der Astin. bei der Bank I für den Zeitraum 05.05.2009 bis 25.06.2009 beigefügt. Danach ist am 20.05.2009 eine Bareinzahlung in Höhe von 165 EUR erfolgt. Im Übrigen ist noch eine Bareinzahlung von ET (Freund der Astin.) in Höhe von 100 EUR erfasst. Zusätzlich wurden auch die entsprechenden Kontoauszüge für den Zeitraum beigefügt.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 20.07.2009 wies die Ag. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Beigl. erfülle ihre Unterhaltspflicht. Der Umfang der Unterhaltsleistungen erreiche das auf das Kind entfallende Kindergeld. Als Unterhaltsleistungen seien dabei nicht nur die Geldzahlung, sondern auch Sachleistungen und – insbesondere bei minderjährigen Kindern – Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Die Beigl. leiste Unterhaltszahlungen in Form von regelmäßigen Zahlungen, als auch andere Unterhaltsleistungen in der Form von Bekleidung, Essen, Urlaub und Weihnachtsgeschenken und sonstigem Bargeld. Damit sei die Unterhaltsverpflichtung erfüllt worden. Die Mitteilung, dass für Juni 2009 keine Barzahlung erfolgt sei, stelle nur eine einmalige Verletzung der Unterhaltsverpflichtung dar, die keine Abzweigung des Kindergeldes an die Astin. rechtfertige.
Dagegen erhob die Astin. am 27.07.2009 zu Protokoll des Urkundsbeamten des Finanzgerichts Klage, die beim Senat unter dem Az. 8 K 2849/09 Kg geführt wird und erklärte, sie erhalte weiterhin von ihrer Mutter weder Bar- noch Sachunterhalt. Die Familienkasse zahle nach der Antragstellung kein Kindergeld mehr aus, auch an die Mutter nicht mehr. Seit September 2008 habe sie von der Mutter monatlich...