Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverwalter als Kostenschuldner

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer Prozesstrennung entstehen jeweils gesonderte Verfahrensgebühren aus den Streitwerten der durch die Trennung entstehenden Einzelverfahren. Es ist für jeden Verfahrensteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ein Einzelstreitwert anzusetzen.

2. Die Kostentragungspflicht eines Insolvenzverwalters erstreckt sich gemäß § 33 GKG i.V.m. § 55 InsO insbesondere auf die Masseverbindlichkeiten.

3. Es ist erst im Kostenerhebungsverfahren darüber zu entscheiden, inwieweit die festzusetzenden Kosten Insolvenzforderungen oder Masseschulden darstellen, sofern die Kostengrundentscheidung bzw. die Entscheidungsgründe keine ausdrücklichen Ausführungen zu der Einordnung der Kostenforderung enthalten.

4. Gerichtskosten sind bei einem vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Rechtsstreit grundsätzlich Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, und zwar auch insoweit, als Gebührentatbestände vor Insolvenzeröffnung verwirklicht wurden. Nimmt der Insolvenzverwalter ein Verfahren auf, in dem die Entscheidung über die Kosten noch nicht abschließend getroffen wurde, tritt er zu Lasten der Masse in die Verantwortlichkeit für den Prozess ein und übernimmt bewusst das Prozesskostenrisiko für das gesamte Verfahren.

 

Normenkette

GKG §§ 33, 40; InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 1; GKG § 6 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

I.

Der Erinnerungsführer ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A B.

Zusammen mit seiner Ehefrau C B erhob Herr A B am 16.11.2011 Klage gegen das Finanzamt D (im Folgenden: Finanzamt) wegen Einkommensteuer 2004 (betr. Frau und Herrn B), gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2004 (betr. Frau und Herrn B), Gewerbesteuermessbetrag 2004 (betr. Herrn B) und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 (betr. Herrn B). Dieses Klageverfahren erhielt beim Finanzgericht Münster das Aktenzeichen 14 K 4052/11.

Nachdem am …2013 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B eröffnet (Amtsgericht Bochum … IN …/13) und das finanzgerichtliche Verfahren 14 K 4052/11 hierdurch kraft Gesetzes unterbrochen worden ist (§ 155 der Finanzgerichtsordnung – FGO – i.V.m. § 240 der ZivilprozessordnungZPO), trennte der 14. Senat des Finanzgerichts mit Beschluss vom 14.08.2013 das Verfahren, soweit die Klage von Herrn B erhoben worden war, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung ab. Das abgetrennte Verfahren erhielt das Aktenzeichen 14 K 2560/13.

In dem Verfahren 14 K 2560/13 beschloss der 14. Senat unter dem 19.12.2014, dass das Verfahren in den Registern des Gerichts gelöscht werde. Zur Begründung führte er aus, dass es zweckmäßig erscheine, das Verfahren in den Registern des Gerichts zu löschen, da über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und weder der Insolvenzverwalter noch der Beklagte das Verfahren aufgenommen hätten. Der Senat wies in dem Beschluss darauf hin, dass die Löschung des Verfahrens in den Registern dessen Fortsetzung nicht hindere.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2021 zeigte das Finanzamt gegenüber dem Finanzgericht an, dass die angefochtenen Bescheide geändert worden seien, erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und bat, die Kosten im Einvernehmen mit dem Kläger gegeneinander aufzuheben.

Das Finanzgericht änderte daraufhin in seinem Aktenvorblatt das Rubrum des Verfahrens dahingehend, dass anstelle des Herrn B nunmehr Herr Rechtsanwalt E (Erinnerungsführer) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B als Kläger geführt wurde.

Der Vorsitzende des Senats informierte die Beteiligten des Verfahrens 14 K 2560/13 hierüber und wies den (neuen) Kläger (Erinnerungsführer) unter dem 02.09.2021 darauf hin, dass vor dem Hintergrund des Schriftsatzes des Finanzamts vom 23.08.2021 davon ausgegangen werde, dass das Verfahren von den Beteiligten nunmehr doch – zumindest konkludent – aufgenommen worden sei. Aufgrund der erfolgten Aufnahme sei das Verfahren nunmehr fortzusetzen, sodass gebeten werde, bis zum 24.09.2021 mitzuteilen, ob er – der neue Kläger – den Rechtsstreit ebenfalls als erledigt ansehe und sich der Erledigungserklärung des Finanzamts anschließe.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2021 erwiderte der Erinnerungsführer hierauf, dass wegen der streitgegenständlichen Komplexe mit dem Finanzamt eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt worden sei. Einer Aufnahme und Fortführung des Rechtsstreits bedürfe es nicht. Mit der durch das Finanzamt angeregten Aufhebung der Kosten gegeneinander sei er einverstanden mit der Maßgabe, dass eine etwa durch Herrn B noch zu leistende Gerichtskostenzahlung nicht als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden könne. Soweit sich für Herrn B eine Gerichtskostenerstattung ergeben sollte, stehe diese der Insolvenzmasse zu. Gegebenenfalls bitte er um Überweisung auf das Insolvenzsonderkonto.

Sodann hob der Vorsi...

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