Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Beiträgen an einen Solidarverein zur Absicherung im Krankheits- und Pflegefall als Sonderausgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Die zur Vorsorge für den Krankheitsfall geleisteten Beiträge an einen Solidarverein, der kein Versicherungsunternehmen ist und dem auch keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist, können als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a Satz 1 EStG berücksichtigt werden, soweit die Beiträge zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind. Dies ist der Fall, wenn ein Verein seinen Mitgliedern nach der Satzung einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Ersatz der Krankheitskosten mindestens entsprechend dem Leistungsniveau der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und damit eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S.v. § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG gewährt. Dies gilt auch, wenn zwar die Vereinssatzung keinen ausdrücklichen Anspruch auf Ersatz der Krankheitskosten im Krankheitsfall vorsieht, sich gleichwohl aus der Satzung und weiteren Vereinsunterlagen (hier: z.B. Protokolle der Mitgliederversammlungen; Beitragsordnung; Zuwendungsordnung) ergibt, dass bei medizinischer Notwendigkeit für die Mitglieder ein Rechtsanspruch auf Leistungen mindestens in Höhe des Niveaus der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
2. Die zur Pflegevorsorge geleisteten Beiträge an einen Solidarverein, der weder zu den Trägern der sozialen Pflegeversicherung gehört noch eine private Pflicht-Pflegeversicherung anbietet, können nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. b EStG berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a S. 1 Hs. 2, Buchst. b, Abs. 2 S. 1 Nr. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a S. 1 Hs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 2017 (Streitjahr) die Berücksichtigung von Beiträgen an einen Solidarverein als Sonderausgaben streitig.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie zahlten für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall an den Verein „… e.V.” (im Folgenden: S) Beiträge in folgender Höhe:
|
Kläger |
Klägerin |
Krankenabsicherung (Basisabsicherung) |
3.757 € |
823 € |
Krankenabsicherung (Mehrleistungen) |
355 € |
87 € |
Pflegeabsicherung |
236 € |
218 € |
Die im Streitjahr gültige Satzung der S, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, enthält – u.a. – die folgenden Regelungen:
„§ 2 Zweck des Vereins
(1)
Die S ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.
(2)
Zwecke des Vereins sind:
a.
Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; […].
(3)
Die Satzungszwecke werden insbesondere dadurch verwirklicht,
a.
dass im Krankheitsfall jedes Mitglied eine umfassende und flexible Krankenversorgung erhält; […].
(4)
Mit der Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt.
(…)
§ 5 Beiträge, Individualkonto und Solidarfonds
(1)
Beiträge werden in der Beitragsordnung geregelt, und der Umfang der Zuwendungen ergibt sich aus der Zuwendungsordnung. Erlass und Änderungen der Beitrags- und Zuwendungsordnung regelt § 8 Abs. 6 der Satzung. Die Beitragsordnung und die Zuwendungsordnung werden durch den Vorstand so gestaltet, dass die vorgesehenen Zuwendungen aus den Beiträgen auch bei Schwankungen des Leistungsverlaufs erbracht werden können und darüber hinaus eine ausreichende Reserve für größere Zuwendungsfälle aufgebaut und erhalten werden kann. Um die Leistungsfähigkeit weiter zu sichern, werden, soweit erforderlich, auch Anpassungen der Beiträge, angemessene Nachschüsse oder angemessene Sonderzahlung vorgesehen sowie Möglichkeiten zu angemessener Anpassung der vorgesehenen Zuwendungen durch den Vorstand vorbehalten. Dabei wird darauf geachtet, dass Art und Umfang der medizinischen Versorgung entsprechend den in § 2 Abs. 2 Buchstabe a) der Satzung festgelegten Kriterien beibehalten wird, und das finanzielle Belastungen, die für ein Mitglied im Einzelfall untragbar sind, vermieden werden.
(2)
Jedes Mitglied kann verlangen, dass das Guthaben auf seinem Individualkonto im Rahmen der Zuwendungsordnung zur Deckung seiner Krankheitskosten im ambulanten und stationären Bereich ausgezahlt wird.
(3)
Aus dem Solidarfonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine me...