Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsumtausch von Aktien als privates Veräußerungsgeschäft
Leitsatz (redaktionell)
Der Zwangsumtausch von Aktien der Northern Rock plc in solche der Northern Rock Holdings Reg. SH. O. N. erfüllt die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 10d Abs. 4; BewG § 9; EStG § 22 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, einen Bescheid über den vortragsfähigen Verlust aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2008 zu erlassen und in das Jahr 2007 einen Verlustrücktrag bzgl. negativer Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorzunehmen.
Der Kläger hat für das Jahr 2008 am 17.06.2009 seine Einkommensteuererklärung beim Beklagten eingereicht. Auf dem Mantelbogen hat der Kläger bzgl. der Möglichkeit der Einreichung einer Anlage SO (über private Veräußerungsgeschäfte) angekreuzt, dass private Veräußerungsgeschäfte nicht getätigt worden seien. Die Auswahlmöglichkeit „Private Veräußerungsgeschäfte führten insgesamt zu einem Gewinn von weniger als 600 € … (bei Verlusten bitte Anlage SO abgeben)” blieb leer. Eine Anlage SO wurde nicht eingereicht. Hingegen wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen aus Vermietung und Verpachtung und aus einer Berufsunfähigkeitsrente erklärt.
Mit Bescheid vom 05.10.2009 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung eines Gesamtbetrages der Einkünfte i. H. v. 1.044,00 € und eines zu versteuernden Einkommens von ./. 2.924,00 € die Einkommensteuer auf 0,00 € erklärungsgemäß fest. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Jahres 2007 hatte der Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. H. v. 77.305,00 € erklärt. Bei der Ermittlung der Einkommensteuer 2007 wurde diesbezüglich ein zum 31.12.2006 gesondert festgestellter verbleibender Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. H. v. 9.189,00 € berücksichtigt. Ein verbleibender vortragsfähiger Verlust aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften war zum 31.12.2007 nicht mehr vorhanden. Die gesonderte Feststellung im Bescheid vom 10.10.2008 lautete insoweit auf 0,00 €. Die Einkommensteuer 2007 wurde unter Berücksichtigung eines zu versteuernden Einkommens i. H. v. 38.456,00 € auf 9.416,00 € festgesetzt. Auch dieser Bescheid ist bestandkräftig geworden.
Am 22.06.2010 beantragte der Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 und einen Verlustrücktrag gemäß § 23 Abs. 3 Satz 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in das Jahr 2007.
Hintergrund war, dass der Kläger am 20.09.2007 34.000 Aktien Registered Shares LS” (WKN:, ISIN: GB) der britischen Bank „Northern Rock PLC” (im Folgenden: NR-PLC) für X € erworben hatte. Durch die Liquiditätsverknappung auf dem internationalen Geldmarkt aufgrund der Subprime-Krise 2007 ergaben sich bei der NR-PLC im September 2007 Zahlungsschwierigkeiten. Dies hatte zur Folge, dass in der Zeit vom 14.09.2007 bis zum 17.09.2007 ein Großteil der britischen Bankkunden die Sparguthaben von ihren Konten abhob, da aus ihrer Sicht die Gefahr bestand, dass die Guthaben auf den Konten sonst verloren gingen. In dieser Situation gab der britische Finanzminister am 17.09.2007 bekannt, dass die britische Regierung und die Bank of England alle Einlagen bei der NR-PLC garantieren würden. Nach verschiedenen Verhandlungen mit potenziellen Investoren gab der britische Finanzminister am 17.02.2008 bekannt, dass die NR-PLC vorübergehend verstaatlicht werde, da sich kein Käufer gefunden habe. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben durch den „Banking (Special Provisions) Act 2008” und konkret durch die „The Northern Rock plc Transfer Order 2008”. Die Anteile an der NR-PLC gingen in das Eigentum des britischen Finanzministeriums über. Dafür erhielten die Anteilseigner eine entsprechende Anzahl (für den Kläger: 34.000 Stück) Aktien an der „Northern Rock Holdings Reg. SH. O. N.” (WKN: AONGKV, ISIN: GB – im Folgenden: NR-Holdings). Nach der „Northern Rock plc compensation scheme order” sollte sich eine insoweit vorgesehene Entschädigung der Anteilseigner nach dem Anteilswert der NR-PLC-Aktien (nicht dem Börsenkurs) am Vortag der Enteignung richten. Dabei wurde bei der Bewertung durch einen „independent valuer” zugrunde gelegt, dass die Bank in der bestehenden Form nicht mehr habe weitergeführt werden können und unter Zwangsverwaltung gestanden habe. Der „independent valuer” hatte letztendlich im Dezember 2009 die Anteile an der NR-PLC mit 0,00 € bewertet, so dass sämtlichen Anlegern keine Entschädigung für ihre Anteile gezahlt worden ist. Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Entschädigungsleistungen blieben für die Anteilseigner ohne Erfolg.
Als Folge der Verstaatlichung teilte die Bank 1 (im Folgenden: Bank 1), bei der der Kläger sein Depot führte, dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 11.04.2008 mit, dass wegen der Verstaatlich...