Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Wirtschaftsgut ist abweichend von der zivilrechtlichen Lage dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder ihm kein Herausgabeanspruch mehr zusteht. Hierfür ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend.
2) Bei Kaufverträgen über Grundstücke ist eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO vorzunehmen, sobald Eigenbesitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Käufer übergegangen sind.
Normenkette
AO § 39
Tatbestand
Streitig ist, ob wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück vorliegt, so daß der Erlös aus der Veräußerung nicht dem rechtlichen Eigentümer, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen ist.
Die Klägerin zu 1. (Klin.) ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG), die aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hervorgegangen ist. Die Kl. zu 2. und 3. sind Brüder. Sie sind an der Klin. zu 1. zu jeweils 50 v.H. beteiligt. Die OHG erzielt aus der Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an eine GmbH, an der ebenfalls die Kl. zu 2. und 3. zu je 50 v.H. beteiligt sind, Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.
Ursprünglich hatte der Vater der Kl., J, aus einer Autolackiererei in der Rechtsform einer Einzelfirma Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Den Gewinn hatte er durch Bilanzierung gem. § 5 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Der Betrieb war auf dem Grundstück in B, Flur, Nr, Pstraße, betrieben worden. In dem vorderen Bereich zur Straße hin befanden sich die betrieblich genutzten Flächen in einer Größe von ca. 1.000 qm mit einem Hof und den Werkstatt- und Bürogebäuden. Der hintere etwa gleich große Bereich war mit einem privat genutzten Gebäude bebaut. In den Bilanzen war nur der vordere Teil des Grundstücks mit den aufstehenden Gebäuden und den sonstigen Betriebsvorrichtungen erfaßt.
Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1991 hatte die Mutter der Kl. den Betrieb zunächst unter der bisherigen Firma fortgeführt. Sie war alleinige Eigentümerin des oben bezeichneten Grundbesitzes geworden.
Mit notariellem Vertrag vom 28.12.1995 – UR-Nr. 817/95 des Notars Dr. C mit Amtssitz in B – übertrug die Mutter die Einzelfirma mit Wirkung zum 31.12.1995 an die dies annehmenden Kl. zu 2. und 3. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Im Einzelnen war folgendes vereinbart:
„…
Der Veräußerer überträgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den dies annehmenden Herren P. und M. – in Gesellschaft bürgerlichen Rechts – … von der Parzelle Flur Nr. diejenige, etwa 1000 qm große Teilfläche, die auf dem anliegenden Lageplan rot umrandet und mit den Buchstaben ABCD versehen sind mit Gebäuden, sonstigen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör mit wirtschaftlichem Übergang am 31.12.1995.
Der Erwerber hat sich den Wert des Grundbesitzes auf seinen Pflichtteil nach dem Veräußerer anrechnen zu lassen.
Der Veräußerer behält sich den Widerruf der Schenkung und Nutzungsrechte nicht vor. …
Die Erschienene zu 1. (=Mutter der Kl. zu 2. und 3.) überträgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den auf dem Grundstück Pstraße bisher betriebenen Gewerbebetrieb mit allen Aktiven und Passiven mit Wirkung zum 31. Dezember 1995 auf ihre Söhne M und P (= Kläger zu 2. und 3.) zu gleichen Teilen, die berechtigt sind, das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortzuführen oder in Form einer neuen Gesellschaft fortzusetzen.
Für den Bestand der Aktiva und Passiva ist die von Herrn Steuerberater … zum 31. Dezember 1995 zu erstellende Schlußbilanz maßgebend. Die bestehenden Miet-, Leasing-Wartungs- und Versicherungsverträge sowie die sonstigen betrieblichen Dauerschuldverhältnisse sind den Erwerbern bekannt und werden von ihnen übernommen. Die erforderliche Zustimmung der Vertragspartner werden die Beteiligten selbst einholen.
Die Vertragsteile sind über den Eigentumsübergang der am Tag des Besitzübergangs vorhandenen, zum Betriebsvermögen gehörenden beweglichen Gegenstände, insbesondere der Geschäftsausstattung und der Vorräte einig. Ferner tritt die Erschienene zu 1. (= Mutter der Kl. zu 2. und 3.) sämtliche Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie die sonstigen betrieblichen Ansprüche an ihre dies annehmenden Söhne ab. Die Übertragung erfolgt unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung.
Widerrufs- oder Nutzungsrecht will sich die Erschienene zu 1. (= Mutter der Kl. zu 2. und 3.) nicht vorbehalten.
…
rau V (= weiteres Kind der Mutter bzw. Schwester der Kl.) verzichtet hiermit für sichund ihre Abkömmlinge auf ihr Pflichtteilsrecht am Nachlass des Veräußerers.
…
Dieser Verzicht steht jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, daß V später nebenihren Brüdern Miterbin ihrer Mutter wird und ein Vorausvermächtnis bezüglich der der Mutter verbleibenden Grundstücksfläche „Pstraße” erhält.
…
Der Besitz und die Nutzungen, die Gefahr und die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus den den...