Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des niederländischen TOG-Zuschusses
Leitsatz (redaktionell)
1) Der niederländische Zuschuss für zuhause wohnende behinderte Kinder (TOG-Zuschuss) ist nach Ergehen der EuGH-Entscheidung in der Rs. "Wiering" (Urteil vom 8.5.2014, C-347/12) und auch nach Änderung der niederländischen Rechtslage zum 1. April 2010 nicht auf das deutsche Kindergeld anzurechnen, weil es sich nicht um eine Familienleistung gleicher Art handelt (Abweichung vom BFH-Urteil III R 36/05 v. 17.4.2008, BStBl II 2009, 921).
2) Die nach nationalem Recht in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeordnete Anrechnung wird durch das Unionsrecht verdrängt.
Normenkette
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO Nr. 574/72 Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. i), Nr. 883/2004 Art. 68 Abs. 2; EStG §§ 62 ff
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht Kindergeld für die Zeit von Januar 2010 bis Juni 2014 und zwar ohne Anrechnung des niederländischen Zuschusses für zuhause wohnende behinderte Kinder „Regeling tegemoetkoming onderhoudskosten thuiswonende gehandicapte kinderen 2000”; ab 1. April 2010: „Regeling tegemoetkoming ouders van thuiswonende gehandicapte kinderen”; nachfolgend TOG-Zuschuss).
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie wohnte im Streitzeitraum zusammen mit ihrem Ehemann Herrn C C sowie dem gemeinsamen Sohn M (geb. xx. xx 19xx) in den Niederlanden, ging in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmerin nach und wurde gem. § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig veranlagt.
Ihr Ehemann ist Soldat „Sergeant-major”) mit beamtenähnlichem Status und arbeitet als solcher für das niederländische Verteidigungsministerium (voraussichtlich bis 31. Dezember 2019). Sein Dienstort war zunächst ganz überwiegend in den Niederlanden, zu keiner Zeit in Deutschland. Vom … bis zum … hielt sich der Ehemann zu einem Kampfeinsatz in … auf. Seit dem … ist er in Deutschland stationiert. Vom … bis zum … befand er sich zu einem Kampfeinsatz in …. Zur Tätigkeit des Klägers wird auf die Aufstellung auf Bl. 77 f., 120 f., 124 f. der FG-Akte verwiesen.
Das Kind der Klägerin hatte im Streitzeitraum Anspruch auf den TOG-Zuschuss und die Klägerin hat diesen auch bezogen.
Die Beklagte setzte gegenüber der Klägerin seit Januar 2010 gem. § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig im Hinblick auf den Umfang der Anrechnung niederländischer Familienleistungen Kindergeld (184 € p.m.) unter Anrechnung niederländischer Familienleistungen i.H.v. 78,92 € auf einen monatlichen Differenzbetrag i.H.v. 105,08 € fest (vgl. Bescheid vom 17. Juni 2010).
Auf Anfrage der Beklagten nach den in den Niederlanden bezogenen Familienleistungen teilte die Sociale Verzekeringsbank (SVB) mit, dass und in welchem Umfang für das Kind Kindergeld (AKW) und ein TOG-Zuschuss gezahlt worden sind. Hierauf wird Bezug genommen (Bl. 255 f. der elektronischen Kindergeldakte).
Mit Bescheid vom 7. September 2015 setzte die Beklagte den Kindergeldanspruch für die Zeit von Januar 2010 bis Juni 2014 endgültig fest, indem sie auf den Kindergeldanspruch in Höhe von 184 € p.m. niederländische Familienleistungen (einschließlich des TOG-Zuschusses) anrechnete und zwar für Januar 2010 bis Dezember 2011 monatlich 149,40 € (neuer monatlicher Unterschiedsbetrag 34,60 €), von Januar 2012 bis Juni 2012 monatlich 160,58 € (neuer monatlicher Unterschiedsbetrag 23,42 €) und von Juli 2012 bis Juni 2014 monatlich 163,19 € (neuer monatlicher Unterschiedsbetrag 20,81 €).
Wegen der Anrechnung auch des TOG-Zuschusses legte die Klägerin Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2015 hinsichtlich der Kindergeldfestsetzung von Januar 2010 bis Juni 2014 als unbegründet zurückwies, weil für das Kind auch in den Niederlanden ein Anspruch auf Familienleistung bestehe und dieser nach den unionsrechtlichen Vorgaben auf das deutsche Kindergeld anzurechnen sei. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG würden im Ausland gewährte Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar seien, angerechnet. Hierunter falle auch der TOG- Zuschuss. Die Leistungen seien von der SVB bescheinigt.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie stützt sich auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. Mai 2014 C-347/12 „Wiering” (abgedruckt in ZESAR 2015, 113). Hierin werde ausgeführt, dass für die Anrechnung von ausländischen Familienleistungen zu prüfen sei, ob es sich um „Leistungen gleicher Art” handele. Das sei hier zu verneinen. Das Kindergeld diene dazu, die kindgerechte Entwicklung finanziell zu unterstützen, wohingegen das niederländische TOG die durch die Behinderung entstehenden Mehrkosten auffange bzw. eine behindertengerechte Förderung unterstütze. Es erfordere den Nachweis eines konkreten Pflegebedarfs im Umfang von min. 10 Stunden/Woche „AWBZ-indicatie”) durch einen einem Amtsarzt vergleichbaren Gutachter. Ferner zeige sich die Andersartigkeit der Leistungen auch aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen. ...