Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Einordnung v. ärztlichen Leistungen im Rahmen der sog. integrierten Versorgung als steuerbefreite Heilbehandlungen
Leitsatz (redaktionell)
Zwar mögen ärztliche Leistungen durch die Teilnahme an der integrierten Versorgung gem. §§ 140a ff. SGB V a.F. von den Ärzten nach Art und Umfang anders erbracht worden sein als sie im Rahmen der gesetzlichen Regelversorgung erbracht worden wären. Dennoch stehen auch bei diesen ggf. von Art und Umfang her abweichend ausgeführten Leistungen der Ärzte therapeutische Ziele im Vordergrund, so dass diese als Heilbehandlungen zu qualifizieren sind. Die integrierte Versorgung stellt damit nur eine andere Ausgestaltung der gesetzlichen Regelversorgung dar.
Normenkette
SGB V § 140a ff; UStG § 4 Nr. 14
Tatbestand
Streitig ist, ob im Rahmen der Teilnahme an einer integrierten Versorgung i.S.d. § 140c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) a.F. von der Krankenkasse gezahlte variable Prämien Entgelt für nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreite Leistungen darstellen.
Die Eheleute Dres. O betreiben in S gemeinschaftlich eine Praxis für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie.
Die Regelung einer sog. integrierten Versorgung ist mit Wirkung zum 1.1.2000 in das SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung – aufgenommen worden. Die Gemeinschaftspraxis nahm am integrierten Versorgungsnetz X X auf freiwilliger Basis teil. Dessen Zielsetzung ist ausweislich der geschlossenen vertraglichen Teilnahmevereinbarung (Netzarztvertrag) die verbesserte Betreuung der … Versicherten im Rahmen des Verbundnetzes X nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB V (Präambel in Anlage I zur Rahmenvereinbarung, Gerichtsakte Bl. 97). Der Vertrag zur integrierten Versorgung wurde zwischen der K in ihrer Funktion als gesetzliche Krankenkasse und als damalige Trägerin des Krankenhauses S (welches heute in Form einer eigenständigen GmbH geführt wird) und dem Bundesverband der …ärzte e.V. als Gemeinschaft der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen …ärzte geschlossen. Hiernach wurde ein sektorenübergreifendes und interdisziplinärfachübergreifendes Netz aus teilnehmenden Krankenhäusern sowie sämtlichen …ärzten, die auf der Grundlage einer freiwilligen Beitrittserklärung diesem Integrationsvertrag beigetreten sind, errichtet. Der Beitritt der …ärzte zu diesem Integrationsvertrag erfolgt mittels eines Netzarztvertrages (Rahmenvereinbarung) mit der K. Auf den in der Akte befindlichen Blanko-Netzarztvertrag wird Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 96 ff.). In einer regelmäßig stattfindenden Netzwerkkonferenz werden die Rahmenbedingungen innerhalb dieses Netzes abgestimmt. Auf die Geschäftsordnung Netzwerkkonferenz X X wird Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 91 ff.). Die Versicherten der K können auf freiwilliger Basis am integrierten Versorgungsnetz X teilnehmen. Es wird auf die Blanko-Teilnahmeerklärung/Einverständniserklärung Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 104). Die Versorgung der teilnehmenden Versicherten (Netzversicherte) erfolgt durch die teilnehmenden Ärzte (Netzärzte) und die teilnehmenden Krankenhäuser (Netzkrankenhäuser) nach Maßgabe der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Vorgaben.
Die von den Netzärzten und den Netzkrankenhäusern an die Netzversicherten erbrachten ärztlichen Leistungen werden von der K als Kostenträger unmittelbar vergütet. In § 7 Abs. 4 der Anlage I zur Rahmenvereinbarung (Netzarztvertrag) heißt es zudem wie folgt: ”Bei nachgewiesenen Einsparungen des Versorgungsnetzes X X gemäß den Regelungen zur Erfolgsmessung (Anlage II zur Rahmenvereinbarung zwischen der K und dem Bundesverband der …ärzte e.V.) erhält der Netzarzt ergänzend zu seinem für die …ärztliche Tätigkeit gezahlten Honorar eine variable Vergütung für seine ärztlichen therapeutischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Heilbehandlung innerhalb des Versorgungsnetzes X X. Die variable Vergütung wird aus dem Netzerfolg gezahlt” (Gerichtsakte Bl. 102). Hierzu vergleicht die K bei jedem Netzversicherten die tatsächlich angefallenen Kosten mit den tatsächlichen Kosten eines „statistischen Zwillingsversicherten” außerhalb des Netzes. Für eine solche Vergleichsbetrachtung werden die Kriterien Geschlecht, Alter, Erwerbsunfähigkeitsstatus und Morbidität (Abbildung über die sog. ICD-Kodierung in verschlüsselten Diagnosen) betrachtet. Soweit die für den Netzversicherten entstandenen Kosten geringer sind, entsteht ein Netzerfolg. Die Berechnung der konkreten Höhe der variablen Vergütung für den jeweiligen Netzarzt nach § 7 Abs. 4 der Anlage I zur Rahmenvereinbarung wegen nachgewiesener Einsparungen des Versorgungsnetzes X X erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst entfällt vom eingetretenen Netzerfolg ein Anteil von 37,5 % als variable Vergütung auf die Netzärzte in ihrer Gesamtheit. Dieser Anteil wird sodann nach gemeinsam aufgestellten Verteilungsmaßstäben unter den Netzärzten verteilt. Die Vergütungen setzen sich ausweislich der Abrechnungen der K für die Klägerin...