Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstausbildung bei Vollzeit-Erwerbstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Annahme einer Erstausbildung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Kind während des zweiten Ausbildungsabschnitts einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgeht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 62 Abs. 1 S. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Sohn des Klägers ab Juli 2014 zu Recht abgelehnt hat.
Der am 15.05.1992 geborene Sohn des Klägers absolvierte nach dem Abitur von August 2011 bis Juni 2014 eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen beim LVM. Nach dem Ausbildungsabschluss beschäftigte der LVM den Sohn des Klägers im Rahmen einer Vollzeittätigkeit (38 Stunden/Woche) weiter. Vom 01.10.2014 bis zum 28.02.2018 absolvierte er ein berufsbegleitendes Studium Betriebswirtschaft „Betriebswirt (in) VWA-Bachelor of Arts” an der FH N-Stadt. Der 01.10.2014 war der frühestmögliche Immatrikulationszeitpunkt für diesen Studiengang. Das Studium wurde durch einen „BildungsScheck” (mit 2.000 EUR) gefördert. Der Scheck datiert vom 18.09.2014. Die schriftliche Zusage des Arbeitgebers zur Förderung des Studiums datiert ebenfalls vom 18.09.2014, die Zusage der FH N-Stadt vom 26.09.2014.
In einem am 18.09.2014 vom Sohn des Klägers und dem LVM unterzeichneten „Formular zur Förderung eines berufsbegleitenden Studiums” erläutert der Sohn seine „Motivation und Zielsetzung für das Studium” wie folgt:
„Nach der abgeschlossenen Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen möchte ich nun eine nächste Aus- und Weiterbildung beginnen. Auf der Suche nach einer für mich geeigneten Weiterbildungsmöglichkeit bin ich auf das Angebot der IHK N-Stadt in Kooperation mit der FH N-Stadt gestoßen. Das dort angebotene Betriebswirtschaftsstudium, das berufsbegleitend absolviert wird, empfinde ich als besonders interessant, da es breit gefächert und praxisnah ist. Durch das Studium möchte ich mir eine bessere Basis für höherwertige Aufgaben bei der LVM Versicherung verschaffen. Die Verbindung von Studium und Beruf stellt für mich eine große Heraufforderung dar.”
Zulassungsvoraussetzung für das Studium ist eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten kaufmännischen Ausbildungsberuf, ein Beschäftigungsverhältnis in einem Unternehmen sowie die Hochschulzugangsberechtigung. Für den Fall, dass ein Interessent weder das Abitur, die fachgebundene Hochschulreife noch die Fachoberschulreife nachweisen kann, kann er die Fachhochschulberechtigung auch durch eine abgeschlossene Ausbildung sowie eine anschließende dreijährige Berufspraxis erlangen. Wegen der Einzelheiten zu den Zulassungsvoraussetzungen und dem Studienverlauf wird auf den Ausdruck der Internetseite der IHK (www.ihk-bildung.de) Bezug genommen, der zur Gerichtsakte genommen wurde. Das von N. O. absolvierte Bachelor-Studium dauert in der Regel sieben Semester (3,5 Jahre). Die Lehrveranstaltungen finden regelmäßig freitags von 16 – 21 Uhr sowie samstags von 8.00 – 13.00 Uhr statt.
Gemäß dem Flyer der FH N-Stadt sollen die Absolventen dazu befähigt werden,
- betriebswirtschaftliches Know-how im Unternehmen anzuwenden,
- Betriebsabläufe über alle Funktionsbereiche hinweg, auch im internationalen Bereich, in ihrem Zusammenhang zu erkennen, zu beurteilen sowie kompetent Entscheidungen zu treffen,
- auf verschiedenen betriebswirtschaftlichen Gebieten Fach- und Führungsaufgaben auf gehobener Leitungsebene zu übernehmen.
Die Beklagte hob mit Kindergeldbescheid vom 28.05.2014 Kindergeld für N. O. ab Juli 2014 auf, da dieser nach den Unterlagen der Familienkasse seine Ausbildung im Juni 2014 beenden werde. Am 03.12.2017 beantragte der Kläger rückwirkend (erneut) Kindergeld für seinen Sohn. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Kindergeldbescheid vom 13.12.2017 mit der Begründung ab, es handele sich vorliegend um eine Weiterbildungsmaßnahme und nicht um eine mehrartige Ausbildung. Den hiergegen am 29.12.2017 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2018 als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung eines Kindes lägen nicht vor. N. O. übe nach abgeschlossener Erstausbildung eine Erwerbstätigkeit mit einem Umfang von mehr als 20 Stunden wöchentlich aus. Laut der IHK sei die Berufstätigkeit Voraussetzung für die Zulassung zum Studiengang und damit auch für die Zulassung zur Prüfung. Es handele sich somit um eine Zweitausbildung.
Mit der hiergegen am 18.06.2018 erhobenen Klage macht der Kläger weiterhin geltend, er habe einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld für seinen Sohn N. O. ab Juli 2014. Er hält an seiner Auffassung fest, dass erst mit Beendigung des Studiums die Ausbildung beendet sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn das Kind nach Beendigung der Ausbildung seine Berufsausbildung mit dem weiterführenden Berufsziel Bachelor nicht zum näc...