Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte: Unbeschränkter Abzug der Fahrtkosten eines selbständigen Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber
Leitsatz (redaktionell)
Fahrten eines selbstständigen Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber (Steuerberaterpraxis) unterliegen auch dann nicht dem beschränkten Betriebsausgabenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, wenn der Steuerberater die Steuerberaterpraxis seines Hauptauftraggebers regelmäßig - im Streitjahr an 181 Tagen - aufsucht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2; AO § 12; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6
Nachgehend
Tatbestand
I. Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für Fahrten mit seinem überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeug zu seinem Hauptauftraggeber in vollem Umfang oder nur mit einer Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer als Betriebsausgaben abziehbar sind.
Der in E wohnhafte Kläger ist seit 1998 Steuerberater und hat sich mit dem Schwerpunkt internationale Rechnungslegung spezialisiert. Er war bis Oktober 2006 bei einem Steuerberater im C angestellt und ist seitdem selbstständig tätig, ohne mit einem eigenen Telefoneintrag oder anderen Werbemaßnahmen an die Öffentlichkeit zu treten. Im Streitjahr 2009 war sein Hauptauftraggeber, von dem der Kläger als freier Mitarbeiter rund 61 % seiner Nettoeinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit erzielte, die in S ansässige Steuerberaterpraxis T & Partner (im Folgenden: Steuerberaterpraxis), für die der Kläger seit etwa 2006 tätig ist.
Die hierzu mündlich getroffene Vereinbarung sieht die Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen sowie vergleichbare Leistungen für Mandanten der Steuerberaterpraxis vor, für die der Kläger zwischen 40% (z.B. für die Fertigung von Jahresabschlüssen etc.) und 80% (z.B. für intensive Beratungsgespräche) der gegenüber den Mandanten der Steuerberaterpraxis abgerechneten Nettohonorare, Stundensätze bzw. direkt anfallenden Sonderkosten erhält. Der Umfang der Tätigkeit des Klägers richtet sich nach dem Arbeitsanfall der Steuerberaterpraxis. Absprachen über die Dauer und die Länge der Zusammenarbeit wurden nicht getroffen. Seine Leistungen für die Steuerberaterpraxis hat der Kläger an deren Sitz in S zu erbringen, den er im Streitjahr an insgesamt 181 Tagen aufsuchte. Er konnte dabei über seine Arbeitszeiten frei bestimmen und regelmäßig den gleichen Arbeitsplatz und das Equipment der Steuerberaterpraxis nutzen.
Neben der Tätigkeit für die Steuerberaterpraxis war der Kläger für einen international tätigen Konzern und weitere Mandanten aus dem Raum E und L tätig. Diese Mandate beruhten noch auf Bekanntschaften aus der Zeit seiner Angestelltentätigkeit sowie nachfolgender Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Tätigkeit für diese Mandanten übte der Kläger nach seinen Angaben in bzw. von seiner aus 2 Zimmern und Bad bestehenden Wohnung in E aus, in der das dafür notwendige Equipment (2 Computer, 2 Monitore, 1 Laptop, 1 Drucker, 1 Reisedrucker, 1 Multifunktionsgerät, 1 Reißwolf und 1 Telefonanlage, Regale und Schränke, Ordner und Archivboxen, Akten, Fachliteratur) vorhanden war und dessen vorderes Zimmer er (auch) beruflich nutzte.
In seiner Gewinnermittlung für 2009 berücksichtigte der Kläger als Betriebsausgaben Kosten in Höhe von netto EUR 10.801,11 für einen geleasten betrieblichen Pkw, mit dem er im Jahre 2009 insgesamt 35.604 Kilometer zurücklegte.
Als Entnahme für die private Pkw-Nutzung des Pkw setzte er einen an Hand seiner Aufzeichnungen im Fahrtenbuch ermittelten Betrag in Höhe von insgesamt netto EUR 1.672,01 (15,48 % der Gesamtkosten für 5.513 Kilometern privat gefahrene Kilometer) an.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2009 zunächst erklärungsgemäß fest. Nach Überprüfung des Fahrtenbuchs des Klägers vertrat er die Ansicht, die Steuerberaterpraxis in S stelle die regelmäßige Betriebsstätte des Klägers dar. Insoweit dürften die Aufwendungen für die Fahrten nach S gemäß
§ 4 Absatz 5 Nr. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe des positiven Unterschiedsbetrages zwischen dem auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ergebenen Betrag den Gewinn nicht mindern.
Er erhöhte dementsprechend den Gewinn um – der Höhe nach unstreitige – EUR 3.595,35 und setzte mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 15.12.2010 die Einkommensteuer für 2009 auf EUR 6.235,– fest. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage vertritt der Kläger weiterhin in die Ansicht, die Aufwendungen für seine Fahrten nach S seien in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Steuerberaterpraxis in S stelle nicht seine Betriebsstätte oder regelmäßige Arbeitsstätte dar. Hierfür sei erforderlich, dass die Geschäftseinrichtung der Verfügungsmacht des Unternehmers u...