Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung von Beförderungsumsätzen; Ermittlung der Umsätze im Schätzungswege
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG müssen für jeden einzelnen Umsatz vorliegen. Die Regelung bezieht sich auf die konkrete Beförderungsleistung. Befreit wird danach die Beförderung von kranken und verletzten Personen in einem hierfür besonders eingerichteten Fahrzeug.
2. Zu den Krankenfahrzeugen gehören danach nur solche Fahrzeuge, die nach ihrer gesamten Bauart und Ausstattung speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt sind. Im Fall einer serienmäßigen Ausstattung fehlt es an den typischen Merkmalen eines Krankenfahrzeuges.
3. Da der Stpfl. über keine Aufzeichnungen verfügt, aus denen sich ergibt, welche Personen mit welchem Fahrzeug befördert wurden und wie das jeweilige Fahrzeug eingerichtet war, ist die vom FA gewählte Vorgehensweise, anhand der Fahrleistung der unterschiedlich eingerichteten Fahrzeuge den steuerpflichtigen Anteil der Beförderungsumsätze zu ermitteln, von der Schätzungsbefugnis des FA gedeckt.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 1; UStG § 4 Nr. 17 Buchst. b
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Frage, ob Beförderungsleistungen des Klägers und der G GmbH als dem Unternehmen des Klägers eingegliederte Organgesellschaft anteilig als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln sind.
Der Kläger betrieb in den Jahren 2003 bis 2009 ein Gewerbe für Krankentransporte und für Beförderungsleistungen für Menschen mit Behinderung sowie für ältere und kranke Personen. Im Dezember 2009 gründete er zusammen mit Herrn K N, seinem Sohn, die G GmbH (G GmbH), welche ab 2010 das Gewerbe weiter ausübte. Der Kläger verpachtete ab diesem Zeitpunkt seinen Betrieb einschließlich eines betrieblich genutzten Grundstücks an die G GmbH. Im Zeitpunkt der Gründung waren der Kläger zu 60% und Herr K N zu 40% an der G GmbH beteiligt. Beide Gesellschafter waren zum Geschäftsführer bestellt. Zum 31.05.2012 übertrug der Kläger seine Anteile auf seine Ehefrau und beendete seine Tätigkeit als Geschäftsführer. Die Ehefrau des Klägers hielt die Anteile an der G GmbH bis zum 18.06.2014 und übertrug diese dann auf Herrn K N, welcher seit diesem Zeitpunkt alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der G GmbH ist.
Die G GmbH war unstreitig ab ihrer Gründung bis zum 31.05.2012 als Organgesellschaft in einen umsatzsteuerlichen Organkreis mit dem Kläger als Organträger eingebunden. Die Organschaft endete mit Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers auf seine Ehefrau.
Der Kläger sowie die G GmbH besaßen jeweils eine Genehmigung nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zur Durchführung von Krankenfahrten (vgl. Bl. 477 f. der Gerichtsakte). Beide rechneten ihre erbrachten Transportleistungen teilweise direkt gegenüber gesetzlichen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften ab. Hierfür war erforderlich, dass die Krankenbeförderung ärztlich verordnet worden war. Bei den so abgerechneten Beförderungsleistungen handelte es sich um Krankenfahrten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Sozialgesetzbuches (SGB) V und im Sinne der Krankentransport-Richtlinie (Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V). Die Krankenkassen erstatteten unterschiedliche Kilometersätze. Grundlage dieser Abrechnungen waren Verträge mit den Verbänden der Krankenkassen über die Durchführung von Krankenfahrten (vgl. exemplarisch Bl. 312 ff. und Bl. 477 ff. der Gerichtsakte). Nur wenn eine Krankenkasse die Erstattung der Kosten ablehnte, erhielt die beförderte Person selbst eine Rechnung. Daneben führte der Kläger sowie die G GmbH hauptsächlich Beförderungsleistungen, insbesondere von Menschen mit einer Behinderung, aufgrund von Vereinbarungen mit verschiedenen Einrichtungen und Verbänden, z.B. des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Arbeitsämtern und verschiedenen Krankenhäusern, durch. Auf die ausführliche Darstellung des Klägers im Schreiben vom 13.09.2019 (Bl. 460 der Gerichtsakte) sowie die Aufstellung über die Verteilung der erzielten Einnahmen auf die verschiedenen Kostenträger für die Jahre 2009 bis 2011 (Bl. 561 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
Für die Jahre 2009 und 2012 reichte der Kläger Umsatzsteuerjahreserklärungen beim Beklagten ein. Die eingereichten Steuererklärungen standen als Steueranmeldungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die danach festgesetzten Umsatzsteuern betrugen 766,41 € (2009) und ./. 12.469,28 € (2012). Für die Jahre 2010 und 2011, für die der Kläger keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, erfolgten zunächst keine Umsatzsteuerfestsetzungen. Der Vorbehalt der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 2009 wurde ohne eine Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer mit Bescheid vom 16.06.2011 aufgehoben.
Mit Beginn am 04.11.2014 ...