Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Versäumnis der Frist für die Einkommensteuerveranlagung
Leitsatz (redaktionell)
Auch steuerlich nicht bewanderte Laien müssen wissen, dass Steuererklärungen, die zu einer Einkommensteuerveranlagung führen sollen, nur innerhalb bestimmter Fristen abgegeben werden können. Dies gilt umso mehr, als auf die Antragsfrist im "Ratgeber für Lohnsteuerzahler" hingewiesen wird, der den LSt-Karten als Anlage beigefügt wird. Wiedereinsetzung nach § 110 AO scheidet aus.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; AO 1977 § 110
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 27.02.2008; Aktenzeichen VI R 76/05) |
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern (Kl.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abgabenordnung (AO) wegen Versäumnis der 2-jährigen Ausschlussfrist zur Abgabe der Einkommensteuer (Est)-erklärung 1998 zu gewähren ist.
Der jetzt 70-jährige Kl. und seine Ehefrau reichten – vertreten von einer Steuerberatungs-GmbH – am 06.11.2001 die ESt-Erklärung 1998 beim Beklagten (Finanzamt -FA-) unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ein. Gleichzeitig wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO mit der Begründung beantragt, der Kl. habe seine Lohnsteuerkarte in diesen Tagen wiedergefunden, die in Folge Umzugs im Jahre 1999 abhanden gekommen sei. Aus der ESt-Erklärung 1998 ergibt sich, dass der Kl. in 1998 als Pfarrer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 98.588 DM erzielte hatte. Die einbehaltene Lohnsteuer (LSt) betrug 19.489,95 DM. Weitere Einkünfte waren nicht erklärt worden.
Das FA sah in dem Bescheid vom 07.11.2001 den Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG als verspätet an. Es lehnte in dem Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, der Kl. hätte, um die Frist zu wahren, beim Landeskirchenamt C eine besondere LSt-bescheinigung anfordern können. Dazu hätte der Kl., da die LSt-Karte 1998 beim Umzug im Jahr 1999 abhanden gekommen sein soll, bis zum Ende des Jahres 2000 Zeit gehabt.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trugen die Kl. vor, nicht einmal Berufsjuristen müssten den § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG kennen (Hinweise auf Urteile des Finanzgerichts Köln vom 24.10.2000 8 K 1839/00 EFG 2001, 755). Mangels Übersendung von Formularen habe es auch keine Hinweise des FA zur Erledigung gegeben. Durch das Nichtfinden der LSt-Karte habe es auch keine Initialzündung „zum aktiv werden” gegeben. Der Hinweis des FA auf die besondere LSt-Bescheinigung gehe völlig fehl. Nicht einmal 5 % der Steuerpflichtigen würden überhaupt von dieser Möglichkeit wissen. Und wenn ein Steuerpflichtiger wegen des Nichtfindens der LSt-Karte nicht an die Abgabe einer ESt-Erklärung denke, würde er auch nicht das Anfordern einer besonderen LSt-Bescheinigung denken. Dass bei einem Umzug Unterlagen auf meist vorübergehende Zeit verloren gehen würden, die sich dann später aber wiederfinden würden, sei normal. Es träfe sie daher kein grobes Verschulden an der Versäumnis.
Der Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung (EE) vom 22.07.2002). Das FA meinte, es habe den Antrag auf ESt-Veranlagung 1998 zu Recht abgelehnt. Denn die Kl. hätten schuldhaft die 2-jährige Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO sei nicht zu gewähren. Bei der Beurteilung des Verschuldens sei zu berücksichtigen, dass Vergesslichkeit kein Wiedereinsetzungsgrund sei. Ebenso sei das Verlieren eines Schriftstücks grundsätzlich nicht entschuldbar.
Das von den Kl. zitierte Urteil des Finanzgerichts Köln sei auf diesen konkreten Fall nicht anzuwenden. In dem im Urteil genannten Verfahren handele es sich um einen Steuerpflichtigen, für den erstmals eine Antragsveranlagung durchzuführen gewesen sei. Dieser sei mit den Vorschriften des § 46 EStG nicht vertraut gewesen, da er in den Vorjahren immer zur Abgabe einer ESt-Erklärung aufgefordert worden sei. Im vorliegenden Fall seien in den vergangenen Veranlagungszeiträumen bereits Antragsveranlagungen durchgeführt worden.
Das FA habe durch Mitteilung in der örtlichen Presse auf die Abgabe der Steuererklärungen hingewiesen. Alleine die LSt-Karte können nicht als einzige Erinnerung für die Kl. gelten, ihre ESt-Erklärung abzugeben, da die Kl. auch noch durch andere Belege, wie z. B. erhaltene Spendenquittungen, auf die ESt-Erklärung aufmerksam gemacht worden seien. Des weiteren hätten die Kl. gemäß § 90 Abs. 1 AO die Pflicht, sich bei ungenauen Kenntnissen über Abgabefristen zu informieren.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kl. zunächst eine Verpflichtung des FA erstrebt haben, sie für das Jahr 1998 zur ESt zu veranlagen und die ESt auf einen negativen Betrag in Höhe von 3.122 DM festzusetzen. Dieses Begehren haben die Kl. mit Schriftsatz vom 12.10.2005 dahingehend geändert, dass sie jetzt nicht mehr die Verpflichtung des FA zur Festsetzung eines bestimmten ESt-Betrages erstreben, sondern die Verpflichtung, die Kl. nach Maßgabe d...