Entscheidungsstichwort (Thema)
Drei-Tages-Fiktion. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 6/23)
Leitsatz (redaktionell)
Die Drei-Tages-Fiktion entfällt nicht schon deswegen generell, weil innerhalb der Drei-Tages-Frist planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bzw. an einem Werktag keine Postzustellung stattfindet.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klage fristgerecht erhoben worden ist.
Der Kläger erzielt als Mitarbeiter der A-Bank Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2020 (Streitjahr) machte er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i. H. v. 2.683 EUR sowie eine Minderung des bisher vom Arbeitgeber versteuerten Sachbezugs für die Privatnutzung eines PKW um 4.012,81 EUR geltend (unter Zugrundelegung der Fahrtenbuchmethode gegenüber einer vom Arbeitgeber vorgenommenen Pauschalversteuerung). Bezüglich des vom Arbeitgeber überlassenen Fahrzeugs erklärte der Kläger, dass ein sog. Voll-Leasing-Modell vorliege, bei dem sämtliche Betriebskosten des Fahrzeugs durch die vom Arbeitgeber entrichteten Leasingraten abgegolten würden. Er könne daher keine Einzelbelege (Tankquittungen, Werkstatt-Rechnungen etc.) vorlegen, sondern lediglich eine Bescheinigung des Arbeitsgebers zu den von diesem getragenen Kosten.
Im Einkommensteuerbescheid vom 26.08.2021 erkannte der Beklagte die Fahrtenbuchmethode unter Hinweis auf die fehlenden Einzelnachweise nicht an. Zudem beschränkte der Beklagte die abzugsfähigen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auf 1.250 EUR.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 (einem Freitag), die an den Prozessbevollmächtigten des Klägers adressiert war, als unbegründet zurück. Die 9-seitige Einspruchsentscheidung umfasste durch Druck auf Vorder- und Rückseite insgesamt fünf Blatt Papier der Größe DIN A4 und wurde vom zuständigen Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle persönlich unterschrieben. Die Einspruchsentscheidung wurde mit einfachem Brief versandt.
Der Kläger hat – vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten – Klage erhoben, die bei Gericht am 03.03.2022 eingegangen ist. Hierzu führt er aus, dass ihm die Einspruchsentscheidung am 03.02.2022 (einem Donnerstag) „zugestellt” worden sei. Die der Klageschrift beigefügte Einspruchsentscheidung weist einen Eingangsstempelaufdruck mit dem Datum „03.02.2022” auf.
Auf Nachfrage des Gerichts teilt der Beklagte im Hinblick auf die Aufgabe zur Post mit, dass er für den üblichen Schriftverkehr kein Postausgangsbuch führe. Der Ablauf der Postversendung gestalte sich so, dass ein Mitarbeiter der Poststelle des Beklagten die Ausgangspost der verschiedenen Dienststellen des Beklagten arbeitstäglich gegen 10:30 Uhr abhole und versandfertig mache. Die tägliche Ausgangspost werde sodann gegen 14:10 Uhr vom Postdienstleister A GmbH & Co. KG (nachfolgend „A GmbH & Co. KG”) abgeholt. Der Sachbearbeiter, der die Einspruchsentscheidung verfasst habe, versehe Schreiben, die er erst nach Abholung durch die Poststelle fertigstelle, stets mit dem Datum des Folgetags, da diese Schriftstücke erst dann abgeholt würden. Nach Umstellung auf die elektronische Aktenführung existiere grundsätzlich keine Verfügung mehr, auf der ein „Ab-Vermerk” händisch eingetragen werde. Der Nachweis der Aufgabe zur Post erfolge vielmehr nach abschließender Zeichnung und Bereitstellung für den Postversand dadurch, dass das Schriftstück in der elektronischen Akte endgültig abgelegt werde. Einmal am Tag (um 21 Uhr) erfolge eine automatische Verarbeitung der Dokumente, wodurch sich das Dokument (revisionssicher) im Langzeitspeicher befinde. Für die hier streitige Einspruchsentscheidung sei anhand des Dialogfelds „Dokumenteneigenschaften” feststellbar, dass die Einspruchsentscheidung am 27.01.2022 nach 10:30 Uhr abschließend gefertigt und mit dem Datum vom 28.01.2022 versehen worden sei, da erst an diesem Tag die Abholung und Aufgabe zur Post habe erfolgen können. Dem üblichen Ablauf entsprechend sei die Einspruchsentscheidung somit am 27.01.2022 fertiggestellt und in ihrer physischen Form für den Folgetag (in einem Briefumschlag) in den Postausgang gelegt worden, von der Poststelle am 28.01.2022 gegen 10:30 Uhr abgeholt, dort weiter bearbeitet (zugeklebt und sortiert) und an den Postdienstleister übergegeben worden. Auch seien keine Umstände festgestellt worden, die auf Verzögerungen oder Unregelmäßigkeiten des (hauseigenen oder externen) Postversands hindeuteten. Zum Nachweis des beschriebenen Ablaufs hat der Beklagte dem Gericht die folgenden Unterlagen vorgelegt:
- einen Ausdruck der „Dokumenteneigenschaften” aus der elektronischen Akte, die die Felder „Datum Abschließen 27.01.2022” und „Datum des Schreibens 28.01.2022” ausweist,
- zwei Screenshots der zusätzlich zur elektronischen Akte auf dem Dienstrechner des Sachbearbeiters abgespeicherten Word-Datei, wonach die letzte Änderung des Word-Dokumentes am 27.01.2022 um 12:05 Uhr erfolgt ist,
- einen von dem S...