Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterleitung der Versicherungsbeiträgen von konzernfremden Erstversicherer an konzerneigenen Rückversicherer
Leitsatz (redaktionell)
Versicherungsbeiträge, die an einen konzernfremden - eigenwirtschaftlich nicht nur funktionslosen - Erstversicherer gezahlt und an einen konzerneigenen Rückversicherer weitergeleitet werden, können auch dann als Betriebsausgaben abziehbar sein, wenn der Erstversicherer wirtschaftlich aufgrund vertraglicher Vereinbarungen lediglich als Zahlstelle fungiert.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen
Die Klägerin (Klin.) ist ein Unternehmen der Holzindustrie, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb insbesondere von Spanplatten befasst. Im Rahmen einer die Jahre 2001 bis 2005 betreffenden Betriebsprüfung (Bp.) durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A traf das Bundeszentralamt für Steuern das an der Prüfung beteiligt war, folgende Feststellungen:
Die Versicherungsrisiken der Betriebe der G-Gruppe, zu der auch die Klin. gehört, waren bis einschließlich 2001 bei einem inländischen Erstversicherungsunternehmen versichert, ohne dass es Rückversicherungsbeziehungen zu einem konzerneigenen Rückversicherer gab. Nach Erfahrungen mit Schäden in der eigenen Konzerngruppe und auch in der holzverarbeitenden Industrie im Jahr 2001 kündigte die Versicherungsgesellschaft die Vertragsbeziehungen. Aufgrund der Versicherungsrisiken bei der Holzplattenherstellung sah sie sich außerstande, den Versicherungsschutz weiterhin zu den bisherigen Konditionen zu übernehmen. Höhere Selbstbehalte und steigende Prämien wären Folge einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen zum bisherigen Versicherer gewesen.
Daraufhin gründete der Konzern in L ein eigenes Rückversicherungsunternehmen, die O Reinsurance, U (ORL). Gesellschafterin ist die zur G-Gruppe S gehörende G L Ltd., U. Das Stammkapital betrug X EUR. Die Unternehmen der G-Gruppe erhielten im Wirtschaftsjahr 2001/2002 Versicherungsschutz bei der I-Versicherung und ab dem Wirtschaftsjahr 2002/2003 bei der E-Versicherung. Der vereinbarte Selbstbehalt von X EUR wurde im Umfang von X EUR bei der ORL rückversichert, so dass bei den versicherten Unternehmen der G-Gruppe wirtschaftlich nur ein Selbstbehalt von X EUR verblieb. Der Rückversicherungsvertrag schließt das Risiko für bis zu zwanzig Unternehmen der G-Gruppe ein.
Die Klin. begründete die Einbindung der konzerneigenen Rückversicherungsgesellschaft mit folgenden Erwägungen:
Der Einsatz der Rückversicherungsgesellschaft sei Teil des strategischen Risikomanagements. Risikostrategie in der Gruppe sei es, bestimmte versicherbare Risiken selbst zu tragen und dadurch Versicherungsprämien zu sparen. Die Bündelung dieser Risiken in einer Gesellschaft sei notwendig, um im Schadensfall die Gruppe und nicht das einzelne Unternehmen zu belasten.
Durch die ORL sei der Zugang zum internationalen Rückversicherungsmarkt eröffnet. Dies sei selbst dann vorteilhaft, wenn von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht würde.
Die Bp. ließ den die Rückversicherung betreffenden Teil der Versicherungsprämien nicht zum Betriebsausgabenabzug zu. Er wurde als Entnahme angesehen. Der ORL sei die Eigenschaft einer Versicherung bzw. Rückversicherung nicht zuzuerkennen. Es stelle sich schon die Frage, wie ein neu gegründetes Versicherungsunternehmen ohne entsprechendes Rating am Versicherungsmarkt die übernommenen Risiken als Versicherer allein tragen könne. Eine Risikostreuung bzw. -verteilung liege nicht vor. Sie habe kein entsprechendes Rückversicherungsgeschäft getätigt.
Obwohl die ORL formal ein Rückversicherer sei, trage sie nach der Vertragsgestaltung wirtschaftlich Erstversicherungsrisiken. Bis zu zwanzig Risiken seien nicht ausreichend, um im Wege des Risikoausgleichs nach dem Gesetz der großen Zahl als Versicherung zu gelten.
Auch die Bilanzierungspraxis der ORL widerspreche der einer Versicherung. Versicherungsunternehmen seien gehalten, in gewissem Umfang risikolose Anlagegeschäfte zu tätigen. Die über die E-Versicherung erhaltenen Prämien würden darlehensweise überwiegend Konzernunternehmen überlassen. Die Aktiva bestünden allein in Darlehensforderungen. Sie könnten nicht als risikolos gelten. Es sei fraglich, ob die Forderungen sicher seien und sich im Schadensfall sofort realisieren ließen.
Unüblich sei im Streitfall ferner der Umstand, dass die E-Versicherung im Schadensfall erst dann zur Leistung verpflichtet sei, wenn in Höhe des mit der ORL vereinbarten Rückversicherungsanteils Zahlungen beim Erstversicherer eingegangen seien.
Sei ein Versicherer bereits aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, den versprochenen Versicherungsschutz zu gewährleisten, würde ein ordentlicher Geschäftsführer, dem dieser Umstand zur Kenntnis gelange, keine Vertragsbeziehungen zu diesem Unternehmen eing...