Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein nach Deutschland entsandter polnischer Arbeitnehmer hatte unter der bis April 2010 geltenden Rechtslage für seine in Polen lebenden Kinder, für die er dort Familienleistungen bezog, bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 62 ff. EStG in Deutschland Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld.

 

Normenkette

EStG § 65; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 13-14; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 76; AEUV Art. 45, 48; VO (EWG) Nr. 574/72 Art. 10; EStG § 62

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für die drei Kinder des Klägers N. (geboren am 04.05.1990), O. (geboren am 06.06.1992) und P. (geboren am 29.12.1993) für den Zeitraum von September 2004 bis April 2007 abgelehnt hat.

Der Kläger ist polnischer Staatsbürger. Die Mutter seiner drei Kinder ist verstorben. Am 08.05.2008 heiratete der Kläger erneut, seine Ehefrau E. hat ebenfalls einen Sohn, K. (geboren am 16.11.1992), der im Haushalt der Eheleute lebt.

Vom 20.09.2004 bis 28.02.2005 war der Kläger bei der Fleischwerk X. S.A. angestellt und wurde von dieser nach Deutschland entsandt. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Bestätigung der Fleischwerk X. S.A. vom 23.12.2010 wurde der Kläger vom 20.09.2004 bis zum 28.02.2005 nach Deutschland entsandt. Ab dem 01.03.2005 war der Kläger bei der Y. Sp. z o.o. angestellt und wurde von dieser nach Deutschland entsandt. Ausweislich der vom Kläger vorlegelegten Bescheinigungen E 101 wurde der Kläger von der Y. Sp. z o.o. mit Unterbrechungen vom 01.03.2005 bis zum 13.08.2007 nach Deutschland entsandt und war dort für die Z. Rind GmbH & Co. KG tätig. Ab dem 01.05.2007 war der Kläger im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages unmittelbar bei der Z. Rind GmbH & Co. KG angestellt.

Aus der Bestätigung der Fleischwerk X. S.A. und den Bescheinigungen

E 101

ergeben sich folgende Entsendungszeiträume:

20.09.2004 – 28.02.2005

01.03.2005 – 15.08.2005

16.08.2005 – 31.01.2006

01.02.2006 – 30.04.2006

01.05.2006 – 02.06.2006

14.08.2006 – 13.02.2007

14.02.2007 – 13.08.2007

In der Bestätigung der Fleischwerk X. S.A. ist angegeben, dass der Kläger weiterhin in Polen der Sozialversicherungspflicht unterlag. In den Bescheinigungen … E 101 ist jeweils angegeben, dass der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 a) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin den Sozialversicherungsvorschriften des Landes Polen unterliegt.

Nach Angaben der zuständigen polnischen Behörde in der Bescheinigung vom 15.11.2007 bezog der Kläger für den Zeitraum von September 2004 bis August 2006 polnische Familienleistungen für seine drei Kinder in Höhe von insgesamt 15.876 PLN. Für den Zeitraum ab September 2006 wurde vom Kläger kein Antrag auf Familienleistungen mehr gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung vom 15.11.2007 (Bl. 38 ff. Kg-Akte) Bezug genommen.

Der Kläger gab für die Jahre 2004 bis 2007 Einkommensteuererklärungen ab und beantragte darin, gemäß § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Den Einkommensteuererklärungen waren jeweils Lohnsteuerbescheinigungen des jeweiligen Arbeitgebers des Klägers beigefügt. Aus diesen Lohnsteuerbescheinigungen ergeben sich folgende Tätigkeitszeiträume: 20.09. – 31.12.2004 und 01.01. – 28.02.2005 (Fleischwerk X. S.A.), 01.03. – 31.12.2005 (Y. Sp. z o.o.), 01.01. – 02.06.2006 und 16.08. – 31.12.2006 (Y. Sp. z o.o.) sowie 01.01. – 30.04.2007 (Y. Sp. z o.o.). Der Einkommensteuererklärung 2005 war außerdem eine Unterhaltsbescheinigung beigefügt, in der die Mutter des Klägers erklärte, von ihrem Sohn Geldbeträge in Höhe von 2.928 Euro erhalten zu haben. Der Kläger wurde vom zuständigen Finanzamt für die Jahre 2004 bis 2007 zur Einkommensteuer veranlagt. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides 2005 erzielte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 19.770 Euro, von dem Werbungskosten in Höhe von 2.880 Euro, Kirchensteuer in Höhe von 159 Euro und die Vorsorgepauschale in Höhe von 2.001 Euro in Abzug gebracht wurden. Außerdem wurden Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 1.678 Euro berücksichtigt.

Mit Antrag vom 25.10.2007, bei der Beklagten eingegangen am 08.01.2008, beantragte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seine Kinder N., O. und P.. Der Kläger gab in einem am 05.02.2008 an die Beklagte gesandten erläuternden Erklärungsvordruck u.a. an, dass seine Tochter N. bei seiner Mutter in Polen lebe. Die Beklagte zahlte das Kindergeld aufgrund von Kassenanordnungen vom 17.03.2008 (für O. und P.) und vom 09.06.2008 (N.) für die Zeiträume ab Mai 2007 aus. Einen ausdrücklichen Festsetzungsbescheid erließ sie nicht.

Am 09.09.2010 sprach der Kläger persönlich bei der Beklagten vor und erklärte, dass er rückwirkend für die Zeit von 2004 bis 2007 Kindergeld beantragen wolle, da er die ganze Zeit über bei der Firma Z. gearbeitet habe. Mit Bescheid vom 02.11.2010 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Antrag des Kläg...

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