Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung nach § 48a Abs. 3 EStG, Grundfreiheiten, Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (redaktionell)
Ein nach Maßgabe von § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 191 Abs. 1 AO erlassener Haftungsbescheid über nicht einbehaltene und abgeführte Bauabzugssteuer auf Bauleistungen eines inländischen Bauunternehmers verstößt weder gegen die europäischen Grundfreiheiten noch gegen nationales Verfassungsrecht.
Normenkette
EGV Art. 49-50; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 48a Abs. 1, 3
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte den Kläger für nicht abgeführte Abzugsbeträge im Zusammenhang mit an ihn erbrachten Bauleistungen in Haftung genommen hat.
Der Kläger ist in der Baubranche im Bereich Elektro, Sanitär, Heizung unternehmerisch tätig. Für das Unternehmen des Klägers erbrachte Herr I. N. (N.), … straße …, C. in dem streitbefangenen Zeitraum von April 2005 bis Juli 2007 Bauleistungen, über die er gegenüber dem Kläger in mehreren Rechnungen abrechnete.
Nach der Anhörung des Klägers zur Inanspruchnahme als Haftender nach § 191 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 48a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), auf die nach Aktenlage keine Stellungnahme des Klägers erfolgte, erließ der Beklagte unter dem 13. März 2008 den Haftungsbescheid, mit dem er den Kläger für nicht abgeführte Abzugsbeträge in Höhe von xx.xxx,xx EUR im Zusammenhang mit den durch N. erbrachten Bauleistungen in Haftung nahm. Er führte aus: N. sei für die Einzelfirma des Klägers tätig geworden und habe seine Bauleistungen in den im Haftungsbescheid einzeln aufgeführten Rechnungen abgerechnet (Summe der Netto-Umsätze zuzüglich Umsatzsteuer: xx.xxx,xx EUR). Zum Rechtsgrund des Haftungsanspruchs führte der Beklagte aus: Anmeldungen über den Steuerabzug seien bei ihm nicht eingegangen, obwohl die Gegenleistungen bereits erbracht worden seien und damit die Verpflichtung zum Steuerabzug entstanden sei. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass das Abzugsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, so dass der Kläger gemäß § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG für den nicht abgeführten Abzugsbetrag hafte. Für den leistenden Unternehmer N. bestünden auch zu sichernde Steueransprüche. Die Verwirklichung dieser Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Inanspruchnahme des Steuerschuldners habe nicht zum Erfolg geführt. Der Steuerschuldner sei freiwillig nicht bereit zu zahlen. Auch durch Vollstreckungsmaßnahmen habe der rückständige Betrag nicht eingezogen werden können. Er halte es deshalb für ermessensgerecht, einen Haftungsbescheid zu erlassen und den Kläger zur Haftung heranzuziehen. Umstände, die gegen eine Inanspruchnahme sprechen würden, seien nicht festgestellt worden.
Der Kläger legte gegen diesen Haftungsbescheid am 2. April 2008 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus: Nach § 191 Abs. 1 AO setze eine Haftungsinanspruchnahme voraus, dass „für eine Steuer” gehaftet werde. An dieser Voraussetzung fehle es im vorliegenden Fall, denn dem Gesetzeswortlaut des § 48a Abs. 3 EStG nach hafte der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Es sei kein Betrag, der als Steuer verwirkt worden sei, sondern immer der Betrag, der aus der Einbehaltung resultiere. Haftung für den Abzugsbetrag bedeute also gerade nicht Haftung für eine Steuer, da der Abzugsbetrag den Leistungsempfänger treffe, die Steuer aber den Leistenden. Mit Abzugsbetrag meine der Gesetzgeber auch zweifelsfrei nicht eine Abgabenschuld, die durch den Leistenden verwirkt werde. Dies hätte ansonsten im Gesetzeswortlaut deutlich werden müssen, wie etwa in den Fällen der Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer. Der einzubehaltende Betrag entspreche einer Absicherungseinheit, die erst mit Verrechnung der besicherten Forderung gegebenenfalls zur Steuerzahlung des Leistenden werde. Der Abzugsbetrag stelle in gewisser Weise einen „Kredit” dar.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei dem Steuerabzug für Bauleistungen um eine Steuer im Sinne des § 3 AO und nicht um einen Kredit oder eine Sicherheitsleistung. Im Gegensatz zur Steuer sei ein Kredit dadurch gekennzeichnet, dass von vornherein eine Verpflichtung zur Rückzahlung bestehe. Eine als Steuer konzipierte Abgabe werde jedenfalls rechtlich nicht dadurch zum Kredit, dass sie im Falle einer Überzahlung gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des 48 Abs. 3 Satz 1 EStG hafte der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Dies führe der Kläger in seiner Einspruchsbegründung selbst aus. Weshalb er dennoch zu dem Schluss komme, er hafte nicht, weil er lediglich Schuldner des Abzugsbetrags sei, sei für ihn, den Beklagten, nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hat am 9. Juli 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO setze eine H...