Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsersatz für erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf eines Darlehensvertrages als steuerpflichtige Kapitalerträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen aus dem auf Rückabwicklung des Darlehensverhältnisses gerichteten Rückgewährschuldverhältnis, nachdem die auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen wurde, ist eine sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG. Der daraus begründete Nutzungswertersatzanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Satz 1, 2 Halbs. BGB wegen der widerleglich vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen stellt Entgelt für eine Kapitalüberlassung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.
2. Bei den wechselseitigen Ansprüchen aufgrund des Widerrufs eines Darlehens handelt es sich grundsätzlich um eigenständige Ansprüche und Zug um Zug zu erfüllenden Leistungen, bezüglich derer gemäß § 348 Satz 1 BGB die Aufrechnung erklärt werden kann. Diese tatsächliche Durchführung des Rückabwicklungsverhältnisses hat jedoch auch bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung nicht zur Folge, dass der Anspruch des Darlehensnehmers auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre (Anschluss an BGH vom 22.09.2015, XI ZR 116/15).
Normenkette
EStG § 32d Abs. 1; BGB § 346 Abs. 1 S. 1, 2. Hs, § 348 S. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Nutzungsersatz für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen, den die Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs anlässlich des Widerrufs des Darlehens erhalten haben, steuerpflichtige Kapitalerträge darstellt.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2018 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträge.
Sie schlossen am 28.10./01.11.2004 mit der E-Bank, einem Geschäftsbereich der E-AG, drei Wohnungsbaudarlehen über insgesamt 197.000 Euro (Hauptdarlehensnummer xxx) ab. Die Darlehenszinsen in Höhe von 4,65 Prozent p.a. waren bis zum 31.12.2019 festgeschrieben. Die Bank zahlte das Darlehen am 16.12.2004 und am 20.12.2004 in voller Höhe aus. Die monatliche Annuität betrug insgesamt 927,54 Euro.
Mit Schreiben vom 16.12.2014 kündigten die Kläger den Darlehensvertrag unter Bezug auf das Kündigungsrecht nach Ablauf von 10 Jahren gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und zahlten den von der E-Bank abgerechneten Betrag von 170.397,93 Euro an diese zurück. Bis einschließlich 31.12.2014 hatten sie zudem insgesamt 110.377,26 Euro auf die Darlehen gezahlt. Mit Schreiben vom 27.05.2015 widerriefen die Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
Nachdem die Kläger zunächst vor dem Landgericht Wuppertal (Az.: 4 O 93/16) Klage gegen die E-Bank auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 77.176,85 Euro erhoben hatten (erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 110.377,26 Euro, darauf Zinsen in Höhe von 34.431,63 Euro, zuzüglich erfolgter Darlehensrückzahlung in Höhe von 170.397,93 Euro, abzüglich des Anspruchs der Bank auf die Darlehensrückzahlung in Höhe von 197.000 Euro und abzüglich Zinsen darauf in Höhe von 41.029,97 Euro), schlossen die Parteien am 21.02.2018 vor dem OLG Düsseldorf (Az.: I-18 U 11/17) einen gerichtlichen Vergleich. Ausgehend davon, dass der Darlehnsvertrag beendet und die Darlehnsvaluta an die E-Bank zurückgeführt sei, verpflichtete sich diese, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 15.000 Euro „abzüglich etwa anfallender Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer” zu zahlen. Im Vorfeld des Vergleichs hatten die Kläger die Höhe der Entschädigung für die Nutzung der Zins- und Tilgungsleistungen mit 17.743,67 Euro und die E-Bank als Beklagte mit 11.135,95 Euro ermittelt.
Der Vergleich enthält zudem die Vereinbarung, dass mit der Erfüllung der Vergleichssumme sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Darlehen und dem ausgeübten Widerruf – gleich ob möglich, vorstellbar oder bekannt – erledigt und abgegolten seien. Ferner erklärten die Kläger den von der E-Bank angenommenen Verzicht auf sämtliche Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem ausgeübten Widerruf.
Im Übrigen wird auf den Vergleich vom 21.02.2018 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.03.2018 informierte die E-Bank die Kläger darüber, dass der nach dem gerichtlichen Vergleich zu zahlende Betrag der Kapitalertragsteuer unterliege, sodass lediglich ein Betrag von 11.043,75 Euro an die Kläger ausgezahlt werde. Der steuerpflichtige Anteil werde einbehalten und an die Finanzbehörde abgeführt. Hierüber würden die Kläger eine Jahressteuer...