Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten einer Studienplatzklage des Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Bei Gerichts- und Rechtsanwaltskosten für eine Studienplatzklage (Kapazitätsklage), die Eltern mit dem Ziel tragen, dem Kind einen Studienplatz zu verschaffen, handelt es sich um typische Aufwendungen für eine Berufsausbildung, die bei den Eltern nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG berücksichtigt werden können.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2009.
Mit Bescheid vom 11.10.2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2009 fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte nachträglich Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zusätzlich als außergewöhnliche Belastung im Rahmen des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen. Ihr Sohn sei durch die ZVS nicht zum Medizinstudium zugelassen worden, weil einige Universitäten ihre Ausbildungskapazitäten nicht vollständig im gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgeschöpft hätten. Es sei daher erforderlich gewesen, sogenannte Kapazitätsklagen zu führen. Die für diese Verfahren zu zahlenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten beliefen sich auf 13.113,68 €.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die von der Klägerin getragenen Berufsausbildungskosten schlössen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG aus. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen würden in erster Linie durch den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld sowie den Sonderbedarfsfreibetrag steuerlich entlastet. Höhere Kosten aufgrund der Führung eines Prozesses müssten zur optimalen Gestaltung des Studienplatzwunsches in Kauf genommen werden.
Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.
Die Kosten für die durchgeführten Studienplatzklagen seien ihr nicht im Zusammenhang mit der Ausbildung ihres Sohnes entstanden und seien daher kein typischer Ausbildungsunterhalt. Daher seien die Kosten auch nicht mit dem Kinderfreibetrag bzw. mit dem Kindergeld abgegolten. Sie habe die Kosten aufgewendet, um das Recht ihres Sohnes auf freie Berufswahl durchzusetzen. Bei den durchgeführten Zulassungsstreitverfahren handele es sich um für den weiteren Lebensweg ihres Sohnes existenziell wichtige Prozesse. Ohne Durchführung dieser Verfahren habe die Gefahr bestanden, dass ihr Sohn in rechtswidriger Weise daran gehindert werde, seine Existenzgrundlage durch ein Medizinstudium überhaupt erst zu erlangen.
Das Urteil des BFH aus dem Jahr 1984 (Az.: VI R 40/83) sei nach völliger Änderung der rechtlichen Situation, unter anderem durch die vielen Gesetzesänderungen in der Zwischenzeit, im Bereich der steuerlichen Abzugsbeträge für außergewöhnliche Belastungen für das Streitjahr 2009 nicht mehr anzuwenden. Zum Beispiel gebe es im Streitjahr nicht mehr den pauschalen, allgemeinen Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F.. Sie bezweifle, dass nach heutiger Verkehrsauffassung die wegen des anhaltenden Fehlverhaltens der Universitäten immer noch erforderlichen Kapazitätsklage-Kosten als „nicht ungewöhnliche” Studienkosten betrachtet werden könnten.
Des Weiteren vertritt die Klägerin die Ansicht, § 33a Abs. 4 EStG sei nicht anwendbar, da beide Fallkonstellationen, § 33a Abs. 1 und 2 EStG, nicht vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11.10.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.11.2018 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 13.113,68 € berücksichtigt werden,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 15.11.2018. Darüber hinaus vertritt er die Auffassung, dass im Streitjahr Aufwendungen für Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen nur dann abzugsfähig seien, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühre bzw. der Steuerpflichtige ohne Durchführung des Rechtsstreits Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Aufwendungen seien weder getätigt worden, um die Existenzgrundlage der Klägerin zu sichern noch um ihre eigenen lebensnotwendigen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Aufwendungen für die Berufsausbildung dienten nicht der Sicherung eines menschenwürdigen Daseins, sondern seien dazu bestimmt, dem Kinde besondere, über die pure Existenzsicherung hinausgehende Chancen einer beruflichen und wirtschaftlichen Entfaltung zu verschaffen. Die steuerliche Entlastung der Klägerin sei daher in ausreichendem Umfang über die bereits gewährten Freibeträge hergestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagt...