Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsaktqualität eines Anschreibens der Betriebsprüferin während der Prüfung; Feststellungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein während laufender Betriebsprüfung dem Steuerpflichtigen postalisch übersandtes Schreiben, in welchem die bisherigen Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung zusammengefasst werden und der Steuerpflichtige außerdem gebeten wird, einen bestimmten Darlehensvertrag einzureichen, die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen zu erläutern und Mitteilungen zu Strom- und Wasserzählern zu machen, stellt jedenfalls dann keinen Verwaltungsakt dar, wenn es nicht mit der Androhung von Zwangsmitteln verbunden wird.
2. Eine Feststellungsklage, durch welche festgestellt werden soll, dass die während einer Betriebsprüfung erfolgte Versendung eines Schreibens der Betriebsprüferin in einem unverschlossenen Briefumschlag gegen das Steuergeheimnis verstoße und die bei der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse deshalb einem absoluten Verwertungsverbot unterlägen, ist unzulässig. Wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage muss der Steuerpflichtige vielmehr im Wege der Anfechtungsklage gegen die Änderungsbescheide auf Grund der Betriebsprüfung vorgehen, um (auch) die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens überprüfen zu lassen.
Normenkette
AO § 118 S. 1, §§ 196, 200 Abs. 1 S. 1; FGO § 41; AO § 30
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Nichtigkeit einer Außenprüfung bzw. eines Schreibens der Betriebsprüfung aufgrund einer Versendung dieses Schreibens in einem unverschlossenen Briefumschlag sowie über die Feststellung eines Verstoßes gegen das Steuergeheimnis und über das Vorliegen eines Verwertungsverbots.
Die Klägerin wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In den Jahren 2016 bis 2018 erzielte sie gewerbliche Einkünfte aus drei Einzelunternehmen sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. …
Als Maklerin war die Klägerin bis 2012 für die C. AG tätig. Im Jahr 2012 schloss sie einen Vertretervertrag mit der D. AG ab. Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und der D. AG. Im Rahmen eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits schloss die Klägerin mit der D. AG im Jahr 2018 in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht … einen Vergleich, wonach die D. AG einen Betrag von 62.000 € an die Klägerin zu zahlen hatte. Die Vergleichssumme wurde an die Klägerin über ihren Prozessvertreter im Jahr 2018 ausgezahlt, wobei dieser Honorarbeträge i.H.v. 7.523 € einbehielt.
Die Klägerin gab für die Jahre 2016 bis 2018 Steuererklärungen ab. Bei der Einkünfteermittlung für das Jahr 2018 berücksichtigte sie nicht die erhaltene Schadensersatzzahlung. Der Beklagte veranlagte sie zunächst erklärungsgemäß.
Mit Anordnungen vom 9.6.2020 und 9.8.2020 ordnete der Beklagte eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin an, die sich auf die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2016 bis 2018 bezog. Die Prüferin des Beklagten begann die Betriebsprüfung am 17.9.2020.
Während der Betriebsprüfung kam es ab November 2020 zu einem Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Prüferin. Die Prüferin bat die Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2020 u.a., eine Spendenbescheinigung einzureichen, die Anlagenverzeichnisse für ihre drei Betriebe vorzulegen, bei dem Einzelunternehmen als Maklerin zu einzelnen Betriebsausgaben Erläuterungen, Berechnungsgrundlagen und Unterlagen vorzulegen, zu dem weiteren Einzelunternehmen Aufzeichnungen zum Fahrtenbuch vorzulegen und nähere Erläuterungen zu geben sowie zu dem dritten Einzelunternehmen die Zinsaufwendungen zu erläutern. Außerdem bat die Prüferin, zukünftig Belege zu kontieren, die Entnahmen und Einlagen für Zwecke des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG – zu ermitteln, die Aufteilung der Kosten für die Instandhaltung betrieblicher Räume zwischen den drei Einzelunternehmen zu erläutern und die Aufteilung der Nebenkosten für das Grundstück E-Straße 01 zu erklären. Zudem wies die Prüferin im Schreiben vom 23.11.2020 darauf hin, dass eine Überprüfung des Bankkontos der Klägerin ergeben habe, dass nicht alle Erlöse in den Provisionsumsätzen für 2017 und 2018 erklärt worden seien. Weiter nahm die Prüferin hinsichtlich der Entschädigung i.H.v. 62.000 € im Jahr 2018 auf ein am 20.11.2020 mit der Klägerin geführtes Telefonat Bezug und teilte mit, sie werde sie in den nächsten Wochen, „nach Überprüfung Ihres Standpunktes hinsichtlich Vertrauensschaden oder Erfüllungsschaden” noch einmal gesondert anschreiben.
Mit einem weiteren Schreiben vom 25.1.2021 teilte die Prüferin mit, sie habe sich hinsichtlich der im Jahr 2018 vereinnahmten Schadensersatzzahlung ausführlich mit der von der Klägerin erläuterten Rechtsauffassung auseinandergesetzt. Zunächst schilderte die Prüferin den Sachverhalt und teilte danach in einer rechtlichen Würdigung mit, dass die Schadensersatzzahlung nach ihrer Auffassung eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstelle und damit steuerpflichtig sei. Wenn es sich hier um einen „Vertrauenss...