Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung einer Rückstellung im Zusammenhang mit einem sog. „Rücklagenmanagement” zur Vermeidung des Verlusts von Körperschaftsteuerguthaben durch den Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine verdeckte Einlage, die sich bilanziell einkommenserhöhend ausgewirkt hat und außerbilanziell vom Einkommen abzuziehen ist, liegt nur vor, wenn ein Wirtschaftsgut im Auftrag und für Rechnung des Gesellschafters dem Vermögen der Gesellschaft zugeführt wurde. Dies setzt voraus, dass der Gesellschafter den Vermögenswert, den er der Gesellschaft überträgt, zuvor innegehabt hat. Dies ist nicht gegeben, wenn dem Gesellschafter aufgrund der Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer zu keinem Zeitpunkt ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Gesellschaft auf Ausgleich einer fehlenden Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer zustand.

2. Wird eine Rückstellung aufgelöst, weil die zuvor bestehende theoretische Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerpflichtigen und damit die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme nach Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung, wonach der Gesellschafter des Steuerpflichtigen einen streitigen Kapitalertragsteuerbetrag gegenüber der Finanzverwaltung anrechnen und somit keinen Schadensersatz gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend machen kann, entfallen ist, liegt dem – mangels eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Ausgleich einer fehlenden Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer – kein willentlicher und durch die Gesellschafterstellung veranlasster Verzicht auf möglicherweise noch bestehende Ansprüche gegen den Steuerpflichtigen vor.

3. Eine außerbilanzielle Kürzung des – nach Auflösung der Rückstellung erhöhten – Einkommens gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG scheidet aus, wenn der streitgegenständliche Ertrag, deren Ausgleich begehrt wird, nicht der Ebene der Einkommensverteilung (Rückzahlung einer Gewinnausschüttung), sondern der Einkommensermittlung (Auflösung einer Rückstellung) zuzuordnen ist, weil der Ertrag nicht durch die Erstattung von Kapitalertragsteuer, sondern durch die Auflösung einer Rückstellung entstanden ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 1, 3 S. 3, § 27 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AO § 174 Abs. 4 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerlichen Auswirkungen der Auflösung einer Rückstellung im Streitjahr 2011.

Die Klägerin ist eine im Jahre … gegründete GmbH, …. Die Klägerin bilanziert nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (1.4. bis 31.3.).

Zum Zwecke der Mobilisierung von Körperschaftsteuerguthaben und der Vermeidung des Verlusts von Körperschaftsteuerguthaben durch den Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren beteiligte sich die Klägerin an einem „Rücklagenmanagement”. Zu diesem Zweck wurde von der Klägerin mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2000 eine Kapitalerhöhung von 1.500.000 DM auf 1.500.125 DM durchgeführt und die neue Stammeinlage von 125 DM als Vorzugsgeschäftsanteil gegen Zahlung eines Betrages von 7.400.125 DM (Stammeinlage 125 DM, Disagio 7.400.000 DM) an die B. GmbH & Co. KG („B. KG”) ausgegeben. Zugleich wurde der B. KG auf den Vorzugsgeschäftsanteil eine (inkongruente) Gewinnausschüttung aus dem Bilanzgewinn zum 31.3.2000 in Höhe eines Betrages von 6.906.250 DM zugesagt, die bis zum xx.xx.2000 zu erfolgen hatte.

Am xx.xx.2000 fassten die Gesellschafter der Klägerin einen Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses zum 31.3.2000 und über die Ausschüttung des Betrages von 6.906.250 DM an die B. KG aus dem Bilanzgewinn zum 31.03.2000 in Höhe von … DM. Der um Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.726.562 DM zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 94.960 DM verminderte Ausschüttungsbetrag wurde von der Klägerin am xx.xx.2000 auf ein Konto der B. KG überwiesen. Die Klägerin behandelte das von der B. KG im Zusammenhang mit dem Erwerb des Vorzugsgeschäftsanteils von 7.400.000 DM geleistete Disagio als Zugang zur Kapitalrücklage und die Ausschüttung in Höhe von 6.906.250 DM als Minderung der Kapitalrücklage. Per Saldo wurde die Kapitalrücklage im Jahresabschluss zum 31.03.2001 mithin durch die vorgenannten Geschäftsvorfälle um einen Betrag von 493.750 DM (252.450 €) erhöht.

Mit Schreiben vom xx.xx.2001 übersandte die Klägerin der B. KG eine Steuerbescheinigung über die im Jahr 2000 vorgenommene Ausschüttung in Höhe von 6.906.250 DM. Zudem reichte sie am xx.xx.2001 beim Beklagten eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung über Kapitalertragsteuer in Höhe von (25 % von 6.906.250 DM =) 1.726.562 DM zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 94.960 DM ein und führte die vorgenannten Beträge an den Beklagten ab.

In der Folgezeit fanden zwischen der Klägerin und der Finanzverwaltung Gespräche darüber statt, ob die nach dem vorstehend geschilderten Modell durchgeführte inkongruente Gewinnausschüttung der Klägerin an die B. KG steuerlich anzuerkennen sei. Die Klägerin folgte der von der Finanzverwaltu...

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