Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrzeugverkauf, Erfassung als steuerpflichtiger Umsatz oder steuerbefreite ig. Lieferung
Leitsatz (redaktionell)
1. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen.
2. Es steht nach der objektiven Beweislage nicht fest, dass der Abholer B D das Fahrzeug bestimmungsgemäß an die Firma E nach Italien befördert hat. Denn das Gericht konnte entsprechende Umstände der Beförderung nicht feststellen. Hinsichtlich der Umstände der Beförderung nach Abholung erfolgte keine Beweiserhebung. Es wurden von den Beteiligten keine Beweisanträge gestellt. Zu einer Beweiserhebung wäre das Gericht wegen des fehlenden Belegnachweis zur Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet auch nicht verpflichtet gewesen.
Normenkette
UStG § 6a Abs. 1 3; MwStSystRL Art. 138; UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b
Tatbestand
Streitig ist, ob der Verkauf eines Fahrzeugs steuerpflichtig oder als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH einen Handel mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen sowie einen Reparaturservice. Sie bietet ihre Fahrzeuge u.a. auf ihrer Homepage online zum Verkauf an. Auf diesem Wege kam der Kontakt zu dem in Italien ansässigen Unternehmen E. zustande.
Die Firma E. bestellte am 14.08.2017 verbindlich bei der Klägerin ein von dieser online angebotenes gebrauchtes Fahrzeug der Marke … und des Typs … (Fahrzeugidentifikationsnummer: …). Die Firma E. teilte der Klägerin eine gültige italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit (Bl. 49 der Prüferhandakte.) Das Fahrzeug wurde am 22.08.2017 von Herrn B. D. am Unternehmenssitz der Klägerin abgeholt. Herr B D wies sich gegenüber der Klägerin mit einem italienischen Pass aus. Auf die von der Klägerin gefertigte Kopie wird Bezug genommen (Bl. 42 der Prüferhandakte). Herr B. D. legte der Klägerin eine auf seinen Namen ausgestellte Vollmacht vor, in der die Firma E als Aussteller der Vollmacht bezeichnet ist. Auf den Inhalt der Vollmacht wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 40 der Gerichtsakte). Es handelte sich bei dem Verkauf des Fahrzeugs um das einzige Geschäft zwischen der Klägerin und der Firma E.. Der vereinbarte Kaufpreis betrug … €. Diesen Betrag stellte die Klägerin der E. am 22.08.2017 in Rechnung. Die Zahlung erfolgte per Banküberweisung im Voraus nach der Bestellung (Bl. 43 der Prüferhandakte). Die Klägerin behandelte den Vorgang als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und erteilte die Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis. Die Rechnung enthielt keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (Bl. 28 der Prüferhandakte).
Der Beklagte prüfte im Rahmen einer am 29.07.2019 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin den Verkauf des Fahrzeugs an die Firma E. Anlass war ein Auskunftsersuchen der italienischen Finanzverwaltung, nachdem die Klägerin den Verkauf als innergemeinschaftliche Lieferung, die Firma E. hingegen keinen korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb gemeldet hatte (vgl. Bl. 6 ff. der Prüferhandakte). Die Prüferin bemängelte das Fehlen einer von der Firma E erteilten Gelangensbestätigung. Daher sei der Verkauf als steuerpflichtige Lieferung und nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Ausgehend vom Kaufpreis als Bruttoentgelt sei die bisher für 2017 festgesetzte Umsatzsteuer um … € (Nettoumsatz: … €) zu erhöhen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 05.08.2019 (Bl. 61 ff. der Prüferhandakte) Bezug genommen.
Mit einem nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 23.08.2019 erhöhte der Beklagte die Umsatzsteuer 2017 um … € und setzte sie auf insgesamt … € fest.
Die Klägerin legte gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2017 Einspruch ein.
Aufgrund der Prüfungsfeststellung, dass sie keine Gelangensbestätigung für das an die Firma E veräußerte Fahrzeug besitze, versuchte die Klägerin während des Einspruchsverfahrens, einen Kontakt zu der Firma E herzustellen. Sie schrieb dieser u.a. eine E-Mail. Die Versuche blieben allerdings erfolglos. Ein Bekannter des Geschäftsführers der Klägerin, der Italiener ist, beschaffte aus diesem Grund einen Online-Auszug aus dem Register des XY. Der XY betreibt ein Fahrzeugmelderegister in Italien. Nach den im Auszug enthaltenen Angaben wurde ein Fahrzeug mit der Fahrzeugidentifikationsnummer des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 26.09.2017 in Italien angemeldet. Wer die Anmeldung im Register veranlasste sowie wann und auf welchen Namen die Registeranmeldung erfolgte, ist anhand des Online-Auszugs nicht zu erkennen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Online-Auszugs Bezug geno...