Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung eines Haftungsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Neben die Mittelvorsorgepflicht des Geschäftsführers einer GmbH tritt als davon losgelöste Pflicht die Pflicht zu Beachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung fälliger Forderungen.

2) Dem Anspruch auf Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO steht die Einrede der Verjährung nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer zwar die Mittelvorsorgepflicht in rechtsverjährter Zeit verletzt hat, gegen die Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung, auf die das FA den Haftungsbescheid stützt, indes in noch nicht rechtsverjährter Zeit verstoßen hat.

 

Normenkette

AO §§ 34, 69, 166, 191

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.

Der Kläger war im vom Beklagten angenommenen Haftungszeitraum (10.05.2011 bis 13.07.2011) Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Firma T.-GmbH, die mehrere Spielhallen in D-Stadt und E-Stadt betrieb. Am 13.02.2012 wurde die T.-GmbH in C.-GmbH umfirmiert und gleichzeitig ihr Sitz nach M-Stadt verlegt. Am 26.06.2012 ging beim Amtsgericht M-Stadt ein Insolvenzantrag der C. GmbH ein. Das Amtsgericht M-Stadt lehnte durch Beschluss vom 20.11.2012 (IN xxx/12) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab (vgl. Bl. 23, 24 der Haftungsakte). Die C.-GmbH hatte gegen gegen sie gerichtete Umsatzsteuerbescheide u. a. für 2006 bis 2008 Einsprüche eingelegt und in 2008 und 2009 Anträge auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, denen vom Beklagten zunächst stattgegeben worden ist. Der Beklagte beendete die Aussetzung der Vollziehung mit Erlass der Einspruchsentscheidung jeweils zum 10.5.2011. Gleichzeitig wurden Aussetzungszinsen festgesetzt. Weitere Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der C.-GmbH lehnten der Beklagte und das Finanzgericht ab.

Mit Haftungsbescheid vom 16.10.2015 (Bl. 12 ff. der Gerichtsakte, Bl. 92 ff. der Haftungsakte) nahm der Beklagte den Kläger für Steuerschulden der C.-GmbH in Höhe von insgesamt 140.974,29 € in Haftung. Dabei wendete der Beklagte den Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht an, da der Kläger der Aufforderung des Beklagten zur Mitwirkung nicht nachgekommen war. Wegen der Zusammensetzung der Haftungssumme in Höhe von 140.974,29 € im Einzelnen wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid (Forderungsaufstellung C.-GmbH Stand 15.10.2015, Bl. 98 f. der Haftungsakte) verwiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger als vorsichtig handelnder Kaufmann bereits bei Erstellung der Bilanz für das Kalenderjahr 2006 und der fortfolgenden Jahre eine entsprechende Rücklage für die drohende Nachzahlung hätte bilden müssen. Da dies offenbar nicht erfolgt sei, beginne der Haftungszeitraum zum Zeitpunkt des Fristablaufs zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2006, d.h. am 30.09.2007.

Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger am 18.11.2015 Einspruch ein (Bl. 107 ff. der Haftungsakte). Zur Begründung trug er vor, dass die Ansprüche verjährt seien. Es gelte eine Festsetzungsfrist von nur zwei Jahren. Der Kläger habe im Hinblick auf die Nichtzahlung der Steuerschulden der C.-GmbH auch nicht schuldhaft gehandelt, weil die Rechtsfragen im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Geldspielautomatenumsätze ungeklärt gewesen seien und der Kläger Ratenzahlungen angeboten habe, was der Beklagte aber abgelehnt habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.08.2016 (Bl. 18 ff der Gerichtsakte) änderte der Beklagte den Haftungsbescheid unter nunmehriger Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung entsprechend der Berechnung des damaligen Steuerberaters des Klägers (Bl. 135 ff. der Haftungsakte) dahingehend ab, dass die Haftungsschuld auf 24.113,00 € (Tilgungsquote 22,2%) herabgesetzt wurde. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass bei pflichtgemäßer anteiliger Tilgung Steuerschulden in Höhe von 42.277 € (22,2% von 190.439 €) zu tilgen gewesen wären. Tatsächlich seien aber nur 18.164 € auf diese Rückstände gezahlt worden, so dass sich eine Haftungssumme von 24.113 € ergebe (Bl. 141 der Haftungsakte). Der Haftungszeitraum habe am 10.05.2011 begonnen und sei am 25.07.2011 geendet. Der Kläger habe nach Ende der Aussetzung der Vollziehung im Jahr 2011 seine steuerlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er die Umsatzsteuer nicht gezahlt habe. Die vierjährige Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid habe daher für alle im Haftungsbescheid genannten Verbindlichkeiten erst mit Ablauf des Jahres 2011 begonnen, so dass der Haftungsbescheid noch innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß § 191 Abs. 3 Satz 4 Abgabenordnung (AO) erlassen worden sei. Die Gesamtsumme laut Forderungsaufstellung für die C.-GmbH (Stand 15.10.2015) in der Anlage zur Einspruchsentscheidung änderte der Beklagte handschriftlich auf 96.295,90 € ab (Bl. 202 der Haftungsakte).

Mit seiner am 13.09.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Festsetzungsfrist beginne nach der Rechtsprechung des BFH mit der gesetzlichen Fälligkeit des Steue...

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