Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung eines GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Nichtabführung von Lohnsteuer verletzt im Allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird.
2. Durch die Verteilung der Geschäfte einer GmbH auf mehrere Geschäftsführer kann die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH im Sinne des § 34 Abs. 1 AO begrenzt werden. Dies erfordert aber eine vorweg getroffene eindeutige, d.h. schriftliche, Vereinbarung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfalle jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweist.
3. Die Haftungsinanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers ergibt sich bereits aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden konnte und sollte. Eine Bankkontovollmacht oder vollumfängliche Einsicht in die Geschäftsunterlagen ist nicht erforderlich.
4. Auch bei einer schweren Erkrankung bleibt ein Geschäftsführer verpflichtet, die Erfüllung der ihm als Vertreter der GmbH auferlegten steuerlichen Pflichten laufend und sorgfältig zu überwachen und sich so eingehend über den Geschäftsgang zu unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann. Ein mangelhaftes Überwachen stellt regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Dies gilt auch für die Pflicht, einen Mitgeschäftsführer entsprechend zu überwachen.
Normenkette
AO §§ 69, 191 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid, mit dem er für Steuerschulden der F. GmbH in Anspruch genommen wird.
Die F. GmbH war eingetragen im Handelsregister B des Amtsgerichts C-Stadt unter HRB xxx. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb eines Bauunternehmens. Gesellschafter der F. GmbH waren im Streitzeitraum Herr G1, Herr G2 sowie Herr G3, wobei weder Herr G2 noch Herr G3 mehr als 50% der Anteile an der F. GmbH hielten.
Einzelvertretungsberechtigter (Gesellschafter-)Geschäftsführer der F. GmbH war seit dem Jahr 2005 Herr G1. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2012 wurde der Kläger zum (weiteren) einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der F. GmbH bestellt. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 29.03.2012. Gesamtprokura zusammen mit einem Geschäftsführer war zudem Herrn P übertragen.
Die Lohnsteueranmeldungen der F. GmbH für die Monate März 2012 bis Juni 2012 gingen fristgerecht am 09.04.2012, 09.05.2012, 10.06.2012 bzw. 10.07.2012 beim Beklagten ein. Die angemeldete Lohnsteuer für den Monat März 2012 in Höhe von 14.523,93 € wurde zum Fälligkeitszeitpunkt 10.04.2012 nur anteilig in Höhe von 5.662,65 € beglichen. Die angemeldeten Beträge für die Monate April 2012 in Höhe von 12.209,78 €, Mai 2012 in Höhe von 13.023,94 € sowie Juni 2012 in Höhe von 13.498,81 € wurden zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten 10.05.2012, 10.06.2012 bzw. 10.07.2012 gar nicht getilgt. Die Löhne wurden im Streitzeitraum in voller Höhe ausgezahlt.
Ausweislich einer Bescheinigung des Arztes Dr. med. A. vom 19.12.2012 war der Kläger im Zeitraum vom 23.04.2012 bis 11.07.2012 aufgrund einer orthopädischen Erkrankung und nachfolgenden Operation nicht arbeitsfähig.
Mit Schreiben vom 12.07.2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihn für Steuerschulden der F. GmbH in Anspruch zu nehmen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 26.07.2012 informierte der Kläger Herrn G1 sowie die beiden weiteren Gesellschafter darüber, dass er sein Amt als Geschäftsführer der F. GmbH mit sofortiger Wirkung niederlege und bat zugleich darum, dass die Ansprechpartner, wie z.B. das Finanzamt, informiert werden und die Eintragung im Handelsregister vorgenommen wird. Eine entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte in der Folgezeit jedoch nicht.
Mit Haftungsbescheid vom 15.10.2012 nahm der Beklagte den weiteren Geschäftsführer Herrn G1 nach §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden der F. GmbH in Höhe von insgesamt 102.919, 75 € in Anspruch.
Mit Haftungsbescheid vom 13.12.2012, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, nahm der Beklagte dann den Kläger nach §§ 34, 69 AO für Steuerschulden der F. GmbH betreffend die Jahre 2010 bis 2012 in Höhe von insgesamt 134.636,16 € in Anspruch.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er wandte sich zum einen gegen eine Haftungsinanspruchnahme für Steuerschulden, die Zeiträume außerhalb seiner Zeit als Geschäftsführer der F. GmbH betreffen. Zum anderen wies er insbesondere darauf hin, dass er lediglich vier Monate lang Geschäftsführer gewesen sei und zu Anfang eine Einarbeitungsphase benötigt habe, um sich eine Übersicht über die wirtschaftliche Situation der F. GmbH verschaffen zu können. Noch bevor er sich einen hinreichenden...