Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht einer Einmalzahlung zur Abgeltung von Versorgungsbezügen der NATO an einen ehemaligen NATO-Zivilangestellter. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 24/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Versorgungsbezüge, die nach dem seit Juli 2005 geltenden Pensionssystem der NATO („Defined Contribution Pension Scheme”, DCPS) nicht auf eigenen Beitragsleistungen des bezugsberechtigten ehemaligen Bediensteten (beruhen, sind in vollem Umfang als Ruhegelder aus früheren Dienstleistungen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar.
2. Mit den im Rahmen des Pensionssystems der NATO (DCPS) vom Arbeitslohn eines als NATO-Bediensteten tätigen Steuerpflichtigen einbehaltenen Beiträgen („member contributions”) zu den Versorgungsausgaben der NATO ist kein eigenständiger Rechtsanspruch gegen einen als Träger der Versorgungsleistungen auftretenden Dritten und damit kein Zufluss von Arbeitslohn bereits in der Ansparphase verbunden. Der Bedienstete wird in der Beitragsphase auch nicht bereits wirtschaftlicher Eigentümer der von der NATO in ihrem Namen für die Erfüllung späterer Versorgungsansprüche des Bediensteten angelegten Fondsanteile (DCPS-Guthaben). Ein Zufluss von Lohn ist erst bei Auszahlung der laufenden Ruhegehaltszahlungen bzw. der Einmalzahlung der NATO zur Abfindung der Ruhegehaltsansprüche gegeben.
3. Die Steuerbefreiung nach Art. 7 Abs. 2 des Paris-Protokolls bzw. Art. 19 des Ottawa-Abkommens findet auf – laufende oder einmalige – Ruhegehaltszahlungen der NATO, die erst nach dem Ausscheiden des Bediensteten aus der NATO und dem Wegfall der Residenzpflicht am Sitz der Organisation gezahlt werden, keine Anwendung.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; NCPR Ottawa-Abkommen Art. 19; Pariser Protokoll Art. 7 Abs. 2 S. 1; EStG § 11 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Einmalzahlung von der NATO an den Kläger i.H.v. 216.346,46 € zur Abgeltung von Versorgungsbezügen steuerpflichtig ist.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger war ursprünglich Berufssoldat in Deutschland. In der Zeit vom 01.08.2005 bis zum 31.12.2009 war er (ohne Geld- und Sachbezüge) […] beurlaubt, um als internationaler NATO-Zivilangestellter für die NATO A […] in M-Land tätig zu sein. Mit Ablauf des 31.12.2009 trat der Kläger bei der Bundeswehr – mit Anspruch auf Versorgungsbezüge nach den Bestimmungen des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) – in den Ruhestand. In der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 30.09.2017 war der Kläger in M-Land als Zivilangestellter für die NATO B […] tätig. Für seine insgesamt über zwölf Jahre andauernde Tätigkeit für die NATO (01.08.2005 bis 30.09.2017) bezog der Kläger zunächst in M-Land eine Wohnung und pendelte wöchentlich zu seiner Familie nach U-Stadt. Im Jahr 2009 siedelten die Kläger nach M-Land über. Im Jahr 2014 kauften die Kläger ein Haus in N-Stadt (T-Straße) in Deutschland, welches 2015 fertiggestellt wurde. Der Kläger überlegte bereits damals, sein Anstellungsverhältnis bei der NATO zu beenden und zurück nach Deutschland zu ziehen. Wegen neuer Aufgaben bei der NATO verwarfen die Kläger diese Überlegungen zunächst. Anfang 2017 kündigte der Kläger seinen Arbeitsvertrag bei der NATO mit Wirkung zum 30.09.2017. Mit der Beendigung der Tätigkeit für die NATO B gaben die Kläger ihren Wohnsitz in M-Land zum 30.09.2017 auf und zogen nach N-Stadt in Deutschland. Am 02.10.2017 meldeten sich die Kläger in N-Stadt an.
Die Anstellungsverhältnisse des Klägers bei der NATO waren den Bestimmungen der NATO Civilian Personal Regulations (kurz: NCPR) unterworfen. Während seiner Anstellungsverhältnisse bei der NATO (NATO A und der NATO B) war der Kläger zwingend in die Systeme der NATO für Versorgung und soziale Absicherung aufgenommen und zwar in das zum 01.07.2005 neu eingeführte „Defined Contribution Pension Scheme” (kurz: DCPS oder auch „neues System”), welches das bis dahin seit Juli 1974 für NATO-Mitarbeiter geltende Pensionssystem „NATO Pension and Sozial Security Schemes” oder auch „altes System”) abgelöst hat. Das neue System wird in den NCPR und insbesondere im dortigen Anhang VI (Annex VI – „Regulations governing the NATO Defined Contribution Pension Scheme”) geregelt. Auf die Regelungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
In Anwendung dieses Systems wurden für den Kläger gemäß Art. 5.2 Satz 1 Annex VI monatlich 8 % seines Gehalts (insgesamt xxx € – „Member Contributions”) und weitere 12 % des Gehalts des Klägers von der NATO (insgesamt xxx € – „Employer Contributions”) gemäß Art. 5.2 Satz 2 Annex VI auf ein von der NATO für den Kläger geführtes DCPS-Anlagekonto eingezahlt. Zusammen beliefen sich die Einzahlungen somit auf insgesamt xxx €.
Die NATO ermöglicht den Mitgliedern des DCPS, die Anlageform des für sie angelegten DCPS-Guthabens durch eine Auswahl von vorgegebenen Aktien-, Anleihe- und Geldmarktfonds und Umschichtungen in Grenzen selbst zu bestimmen. Der Kläger wählte als Anlageprodukt für ...