Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltspflicht des Kindesvaters als eigene Einkünfte und Bezüge der Mutter (als Kind); Zufluss
Leitsatz (redaktionell)
1) Zu den Voraussetzungen eines fiktiven Unterhaltsanspruchs gegen den Kindesvater nach § 1615l Abs. 2 BGB.
2) Ein im Einzelfall bestehender fiktiver Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater nach § 1615l Abs. 2 BGB ist bei der Ermittlung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für die Mutter (als Kind) jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Mittel tatsächlich nicht zufließen und auf diese auch nicht verzichtet wurde.
Normenkette
BGB § 1615l Abs. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für ihre am 31.05.1986 geborene Tochter C. ab Januar 2008 einen Kindergeldanspruch hat.
C. begann am 01.09.2005 eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Anlässlich der Geburt ihrer Tochter D. am 18.02.2007 unterbrach C. wegen Mutterschutz und Elternzeit ihre Ausbildung vom 04.01.2007 bis zum 26.10.2007. Die Ausbildung wurde entsprechend verlängert und am 22.01.2009 abgeschlossen. Vater von D. ist Herr E. F.. Dieser verpflichtete sich mit Urkunde vom 15.03.2007 (Bl. 46 der Kindergeldakte), für D. Unterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrags laut Regelbetragsverordnung zu zahlen. Zusätzlichen Unterhalt für die Kindesmutter C., mit der er nicht verheiratet ist und mit der er auch nicht zusammenlebt, zahlt er nicht.
Mit Bescheid vom 26.03.2008 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für C. gegenüber der Klägerin ab Januar 2008 auf und hielt an dieser Entscheidung auch in der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2009 fest. Zur Begründung führte sie an, dass C. gegen Herrn F. einen Unterhaltsanspruch aus § 1615l Abs. 2 BGB habe. Dass sich C. schon vor der Geburt des Kindes in Ausbildung befunden habe und diese anschließend fortgesetzt habe, ändere an der Unterhaltspflicht des Herrn F. nichts, da eine Berufsausbildung/Studium keine Erwerbstätigkeit im Sinne der vorgenannten Bestimmungen sei und es – wie aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB deutlich werde – für den Unterhaltsanspruch unerheblich sei, ob eine „Nichterwerbstätigkeit” erst mit der Geburt des Kindes eintrete oder schon vorher bestanden habe. Unerheblich sei auch, ob der Unterhalt tatsächlich gezahlt werde. Ein Kindergeldanspruch der Klägerin könne mithin allenfalls dann bestehen, wenn ein Mangelfall vorliege, d.h. wenn die eigenen Einkünfte von C. einschließlich der Unterhaltsleistungen des Herrn F. den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten würden. Als Unterhaltsanspruch sei dabei – egal, ob tatsächlich Unterhalt gezahlt worden sei –, wie bei Ehegatten die Hälfte der Differenz zwischen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes einerseits und dem (höheren) Nettoeinkommen seines Ehegatten andererseits anzurechnen, wobei dem Ehegatten jedoch zumindest ein Nettobetrag in Höhe des Existenzminimums verbleiben müsse, welcher der Höhe nach dem anteiligen Grenzbetrag i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspreche. C. habe unter Berücksichtigung einer Unterhaltsbelastung für D. von 1.980 EUR im Jahr 2008 eigene Einkünfte und Bezüge von 6.119,63 EUR gehabt.
Hinzu komme ein Unterhaltsanspruch gegenüber Herr F. von 4.898,39 EUR, so dass der Grenzbetrag von 7.680 EUR überschritten sei. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlagen zur Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Sie ist der Auffassung, dass ihrer Tochter C. gegen den Kindesvater kein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB zustehe und mithin der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch nicht überschritten sei. § 1615l Abs. 2 BGB normiere keine pauschale dreijährige Unterhaltspflicht des Kindesvaters, sondern begründe diese nur für bestimmte, konkret benannte Fälle. Der Kindesvater sei hiernach nur zum Unterhalt verpflichtet, soweit die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehe, weil sie infolge der Schwangerschaft oder eine durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande sei, oder soweit von der Mutter wegen der Pflege oder der Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden könne. Die wichtigste Voraussetzung, die erfüllt sein müsse, sei folglich, dass die Kindesbetreuung die Hauptursache für die Nichterwerbstätigkeit sei.
Im Streitfall sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Nichterwerbstätigkeit vorliege, denn schließlich sei C. einer Berufsausbildung nachgegangen, für die sie eine Vergütung bekommen habe. Aber auch dann, wenn man mit der Beklagten das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit verneine, müsse der Kindesvater keinen Unterhalt zahlen, da es an einer Kausalität zwischen der Nichterwerbstätigkeit und der Kinderbetreuung fehle. Denn schließlich habe sich C. schon vor und während der Schwangerschaft in Berufsausbildung befunden habe und diese nach der Geburt fortgesetzt...