Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine nach Maßgabe von § 89 Abs. 2 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 StAuskV erteilte verbindliche Auskunft entfaltet auch dann Bindungswirkung, wenn sie von einem örtlich unzuständigen Finanzamt erteilt sein sollte. Für eine hiervon abweichende Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV, so wie sie der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 unter Nr. 3.6.5 Satz 4 vorsieht, besteht keine Ermächtigungsgrundlage.
2) Für Fälle eines mehrstufigen Feststellungsverfahrens ist die verbindliche Auskunft bei dem oder den unmittelbaren Feststellungsbeteiligten als bindend zugrunde zu legen.
Normenkette
StAuskV § 2 Abs. 1 S. 1; AO § 89 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die erfolgswirksame Auflösung einer Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wirtschaftsjahr 2007/2008 sowie die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft.
Die Klägerin – eine GmbH & Co KG mit Sitz in U und mit abweichendem Wirtschaftsjahr (Abschlussstichtag 30.09.) – ist mit einer Beteiligung von im Streitzeitraum 5,799% Kommanditistin der Beigeladenen, die ihr Wirtschaftsjahr, das zunächst ebenfalls zum 30.09. endete, per Gesellschafterbeschluss aus April 2008 zum 31.12.2008 auf das Kalenderjahr umstellte (Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008).
Die Beigeladene hatte im Anschluss an die gewinnbringende Veräußerung eines Grundstücks zum Ende des Wirtschaftsjahres 2003/2004 eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet. Während die Beigeladene selbst über kein Ersatzwirtschaftsgut verfügte, auf das die Rücklage übertragen werden konnte, plante die Klägerin im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft im Jahr 2008 den Bau von Tiefgaragenstellplätzen und beabsichtigte, zum Zwecke der Übertragung der Rücklage die Fristverlängerung auf sechs Jahre nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG in Anspruch zu nehmen.
In diesem Zusammenhang stellte die Klägerin im Juni 2008 einen Antrag auf verbindliche Auskunft bei dem für sie betreffende einheitliche und gesonderte Feststellungen zuständigen Finanzamt S. Die Klägerin legte dar, dass bei der Beigeladenen jene Rücklage nach § 6b EStG aufzulösen sei, weil bei dieser – der Beigeladenen – kein Ersatzwirtschaftsgut vorhanden sei. Sie selbst – die Klägerin – plane aber, noch vor dem 30.09.2008 einen entsprechenden Bauantrag für eine Immobilie zu stellen; die Bauzeit werde weniger als zwei Jahre betragen. Der Auflösungsbetrag aus der Rücklage bei der Beigeladenen solle in der Bilanz der Klägerin fortgeführt und dann nach Fertigstellung auf die neue Immobilie übertragen werden. Weiter heißt es: „Wir [die Klägerin] möchten nun das Finanzamt darum bitten zu bestätigen, dass der anteilige § 6b Auflösungsbetrag bei der [Beigeladenen] im Betriebsvermögen der [Klägerin] noch zwei Jahre als Rücklage weitergeführt werden kann, […].” Die Übertragung der Rücklage solle wie folgt abgewickelt werden. Aufseiten der Beigeladenen solle eine erfolgsneutrale Auflösung durch Buchung über das Gesellschafterverrechnungskonto erfolgen. Bei der Klägerin werde der Betrag spiegelbildlich erfolgsneutral auf das Rücklagekonto gebucht. Eine Ergänzungsbilanz bei der Beigeladenen sei nach ihrer – der Klägerin – Auffassung nicht erforderlich. Das leite sie aus R 6b.2 Abs. 6 Satz 2 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auskunftsantrag vom 11. Juni 2008 verwiesen (Bl. 8 f. der Gerichtsakte).
Das Finanzamt S erteilte hierauf – unter Bezugnahme auf die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin – eine (gebührenpflichtige) verbindliche Auskunft des Inhalts, dass „die bei der [Beigeladenen] gebildete Rücklage nach § 6b EStG [kann], soweit sie auf den Mitunternehmer [die Klägerin] entfällt, auf begünstigte Anschaffungen der [Klägerin] in deren Gesamthandsvermögen übertragen werden” kann. Auch die beabsichtigte buchhalterische Abwicklung entspreche den Erfordernissen von R 6b.2 Abs. 7 EStR. „Sofern die formalen Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 EStG eingehalten werden, werde die Übertragung anerkannt.” Wegen der Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 11.07.2008 verwiesen (Bl. 10 f. der Gerichtsakte).
Am 29.09.2008 wurde der die Errichtung der Tiefgarage umfassende Bauantrag gestellt.
Die Beigeladene löste – mangels Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsgutes – die bei ihr gebildete Rücklage in der Bilanz zum Stichtag 30.09.2008 auf. Den auf die Klägerin entfallenden Betrag von 76.073,63 € (5,799 %), buchte die Beigeladene erfolgsneutralunter Zuschreibung zum Gesellschafterdarlehen aus. Die Klägerin führte die Rücklage in ihren Bilanzen fort.
Im Rahmen einer bei der Beigeladenen durchgeführten steuerlichen Außenprüfung gelangte der Prüfer (u.a.) zu der Erkenntnis, dass die steuerneutrale Übertragung der anteiligen Rücklage auf die Klägerin nicht anzuerkennen sei. Die Rücklage hätte auch weiterhin bei der Beigeladenen bilanziell ausgewiesen werden müssen. Der Gewinn hä...