Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für deutsche Kinder in der Türkei

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für die Beibehaltung eines Wohnsitzes reicht es nicht aus, wenn Kinder nach der Schulausbildung im Ausland nach Deutschland zurückkehren wollen.

2) Kurzfristige Aufenthalte zur Urlaubs-, Berufs- oder ähnlichen Zwecken in den Schulferien reichen grundsätzlich nicht aus, es sei denn, sie kommen einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich.

2) Ein Verfassungsgebot, im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen, gibt es nicht.

3) Aus Art. 9 des europäisch-türkischen Assoziierungsabkommens ergibt sich kein über den Kindergeldanspruch gemäß Art. 33 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit hinausgehender Anspruch auf Kindergeld.

 

Normenkette

AO § 8; Deutsch-Türkisches Abkommen über Soziale Sicherheit Art. 33; Europäisch-Türkisches Assoziierungsabkommen Art. 9; EStG § 63 Abs. 1 S. 3

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn Z. in einer Höhe von mehr als 5,11 EUR monatlich hat.

Der Kläger und sein im Juli 1988 geborener Sohn Z. sind deutsche Staatsangehörige. Der Kläger ist jedenfalls seit dem Jahr 1995 sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt. Sein Sohn Z. befindet sich seit 2006 in der Türkei. Dort absolviert er seit September 2007 eine Schulausbildung, welche voraussichtlich bis Juni 2011 dauern wird.

Am 20.05.2008 beantragte der Kläger für seinen Sohn Z. die Festsetzung von Kindergeld. Hierbei reichte er eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes ein, ohne das Kalenderjahr zu benennen, und kreuzte dort jeweils an, dass keine Einkünfte und Bezüge des Kindes vorlägen. Als Wohnort des Kindes war eine Adresse in B. in der Türkei angegeben. Es handelt sich dabei um die Adresse des Onkels des Kindes.

Mit Bescheid vom 13.08.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für das Kind Z. ab August 2006 ab. Sie begründete diese Entscheidung damit, dass eine Familienstandsbescheinigung mit einem Pressstempel der türkischen Behörde trotz Anforderung nicht vorgelegt worden sei.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wurde der angefochtene Bescheid vom 13.08.2008 durch den Bescheid vom 22.09.2008 in der Weise geändert, dass Kindergeld für das Kind Z. ab September 2007 in Höhe von 5,11 EUR monatlich festgesetzt wurde.

In ihrer Einspruchsentscheidung vom 10.11.2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für einen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch Kinder nicht berücksichtigt würden, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, hätten, es sei denn, sie lebten im Haushalt eines Berechtigten i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 2 a EStG. Vorliegend lebe das Kind bereits seit 2006 in der Türkei und habe seinen Wohnsitz außerhalb Deutschlands, der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes. Der Kläger falle unter eine Ausnahme von der Ausschlussvorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG gemäß dem mit der Türkei abgeschlossenen bilateralen Sozialversicherungsabkommen. Das Abkommenskindergeld werde wegen der niedrigeren Lebenshaltungskosten in den Herkunftsländern nach geringeren Sätzen gezahlt, als es § 66 EStG für Inlandskinder vorsehe.

Der Kläger hat am 15.12.2008 Klage erhoben.

Im Klageverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, er habe einen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld in der im EStG vorgesehenen Höhe. Er rügt, die Beklagte habe die Festsetzung von Kindergeld in Höhe von 5,11 EUR monatlich nicht ordnungsgemäß begründet. Darüber hinaus trägt der Kläger vor, sein Sohn sei zu Beginn der Schulausbildung in der Türkei mit einem Wohnsitz in M. gemeldet gewesen; erst nach Aufforderung der Beklagten, der Sohn müsse sich in M. abmelden, sei eine Abmeldung in M. erfolgt. Sein Sohn Z. halte sich regelmäßig in den Schulferien in der Wohnung der Eltern in M. auf; er habe dort ein eigenes Zimmer. Die Sommerferien dauerten von Mitte Juni bis gegen Ende August; die Ferien zum Jahreswechsel dauerten regelmäßig von Mitte Januar bis in die erste Februarhälfte hinein. Sämtliche Schreiben von deutschen Behörden, wie z. B. dem Kreiswehrersatzamt, seien an die Wohnanschrift in M. adressiert. Gegenüber der Hausverwaltung bzw. gegenüber der Stadt M. sei die Personanzahl für die Wohnung des Klägers mit vier Personen angegeben; dabei handele es sich um den Kläger, seine Ehefrau, den Bruder des Kindes und das Kind Z..

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 22.09.2008, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2008, insoweit aufzuheben, als Kindergeld für das Kind Z. in Höhe eines 5,11 EUR monatlich überschreitenden Be...

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