Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der erstmaligen Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
§ 12 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 9 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG findet bereits für 2004 Anwendung.
Die gesetzlichen Neuregelungen in §§ 12 Nr. 5, 4 Abs. 9, 52 Abs. 23d EStG verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 9, § 52 Abs. 23d, § 12 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Aufwendungen für ein Erststudium als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit.
Der ledige in der Wohnung seiner Eltern in A-Stadt mit Zweitwohnsitz gemeldete Kläger absolvierte seit dem Sommersemester 2003 zunächst an der Universität B-Stadt und später an der Universität C-Stadt ein Jurastudium (Erststudium). Er unterhielt am jeweiligen Studienort, an dem er jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet war, eine sog. „Studentenbude” von knapp 25 m².
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen und Erklärungen zur Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge für die Streitjahre 2004 und 2005 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.461,– EUR (2004) und EUR 3.865,– (2005) als vorweggenommene Betriebsausgaben aus selbständiger Arbeit geltend. Hiervon entfielen EUR 4.476,– (2004) bzw. EUR 2.649,– (2005) auf Miete und Strom für die Wohnung am Studienort und EUR 192,– (2004) bzw. EUR 140,– (2005) auf Telefonkosten.
Das zunächst zuständige Finanzamt C-Stadt erkannte die erklärten negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht an, setzte die Einkommensteuern für 2004 und 2005 auf EUR 0,00 fest und stellte –jeweils unter Fortschreibung des zum 31.12.2003 festgestellten Verlustvortrags– die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer zum 31.12.2004 und 31.12.2005 auf jeweils EUR 1.661 fest.
Im anschließenden beim Finanzgericht geführten Klageverfahren erklärte der Kläger bisher nicht angegebene Einnahmen aus Kapitalvermögen von EUR 2.085 (2004) und EUR 2.780 (2005) sowie aus selbständiger Arbeit von EUR 1.000 (2005) nach.
Der inzwischen durch einen Wohnortwechsel des Klägers zuständig gewordene Beklagte stellte daraufhin mit geänderten Bescheiden vom 2.11.2009 die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer auf den 31.12.2004 auf 997,– und auf den 31.12.2005 auf EUR 0,– fest. In diesen Bescheiden, die gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden sind, blieben weiterhin die Studienkosten unberücksichtigt.
Mit der daraufhin an das Finanzgericht Münster verwiesenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung seiner Studienkosten als vorweggenommene Betriebsausgaben. Sein Studium der Rechtswissenschaften habe final im Zusammenhang mit seiner späteren, inzwischen ausgeübten Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gestanden. Der Betriebsausgabenabzug gehe dem Sonderausgabenabzug vor. Diese Argumentation habe inzwischen auch der Bundesfinanzhof in seinen Urteilen vom 28.7.2011 VI R 38/10, BFHE 234/ 279, BFH/NV 2011, 2909 und VI R 7/10, BFHE 234, 271, BFH/NV 2011, 1779) bestätigt. Der Beklagte hätte damit von Anfang an seine Ausgaben anerkennen müssen, da nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden seien.
Die durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) in §§ 4 Abs. 9, 9 Abs. 6 und 12 Nr. 5 EStG erfolgte angebliche „Klarstellung”, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium ohne vorangegangene Berufsausbildung keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien, sei in seinem Fall nicht anzuwenden.
Die in § 52 Abs. 12, Abs. 23d und Abs. 30a EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG geregelte Geltung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 sei wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig.
Er habe im Vertrauen auf die in 2003 ergangenen Entscheidungen des BFH zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten der Berufsausbildung seine Ausgaben für das Studium getätigt. Diese Aufwendungen seien für 2003 noch berücksichtigt und erst ab 2004 nach der damals geänderten und mit der Klage angegriffenen Gesetzeslage nicht mehr anerkannt worden. Er habe aber immer darauf vertraut, dass sich diese Gesetzeslage als verfassungswidrig erweisen würde.
Im Hinblick auf hierzu bereits beim BFH rechtshängige Parallelverfahren habe er einem Ruhen seines Verfahrens zugestimmt. Da die Kläger der Parallelverfahren obsiegt und ihre Besteuerungsrechte durchgesetzt hätten, dürfe er nicht rückwirkend aus dieser Position herausgedrängt werden.
Die bei den Betriebsausgaben geltend gemachten Ausgaben für Miete und Strom seiner Wohnung am Studienort seien aufgrund einer doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen. Er habe den Hausstand, den er als Abiturient und Bundeswehrsoldat im elterlichen Hause gehabt habe, stets beibehalten. Sein Wohnbereich habe das im 1. Stock gelegene Arbeits- und Schlafzimmer,...