Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzung einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken
Leitsatz (redaktionell)
Eine die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus-schließende Nutzung einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken liegt nicht darin, dass der Eigentümer die Immobilie aufgrund einer Scheidungsfolgenvereinbarung seiner ehemaligen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern überlässt.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine zu eigenen Wohnzwecken erfolgte Nutzung i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz – EStG – vorliegt, wenn das Wirtschaftsgut von der ehemaligen Ehefrau sowie den zwei gemeinsamen Kindern genutzt wurde.
Der Kläger war seit dem 00.00.1989 mit Frau P. E. (nachfolgend „Kindesmutter”) verheiratet. Aus der Ehe entstammen die Kinder E. E., geboren am 00.00.1994, und F. E., geboren am 00.00.2000. Die Ehe wurde am 00.00.2014 geschieden.
Die Eheleute waren je hälftige Miteigentümer des Grundstücks S-Straße in N-Stadt. Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit der Ehescheidung schloss der Kläger mit der Kindesmutter am 00.00.2014 eine Scheidungsfolgenvereinbarung mit Grundstücksübertragung, durch welche die Kindesmutter ihren Miteigentumsanteil mit Wirkung zum 00.00.2014 auf den Kläger übertrug. Im Gegenzug stellte der Kläger die Kindesmutter von allen gemeinsamen privaten Verbindlichkeiten inklusive der Darlehensverbindlichkeiten, für die Grundschulden bestellt worden waren, frei und leistete einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 359.000,00 EUR.
Ferner wurde in der Scheidungsfolgenvereinbarung eine Nutzungsregelung zur Immobilie mit folgendem Inhalt getroffen:
- Die Kindesmutter habe das Recht, das Hausgrundstück bis zum 00.00.2018 unentgeltlich zu nutzen. Falls der jüngste Sohn, F., unmittelbar nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in N-Stadt absolviere und dann noch im mütterlichen Haushalt lebe, verlängere sich das Nutzungsrecht bis zum 31.12.2019.
- Sofern der Ehemann das Hausgrundstück vor Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit veräußere und die Kindesmutter ausziehe, müsse er an die Kindesmutter bis zum Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit einen Mietzuschuss von monatlich 1.500,00 EUR zahlen. Wenn die Kindesmutter auf eigenen Wunsch vorzeitig ausziehe, ohne dass das Hausgrundstück verkauft werde, reduziere sich der Mietzuschuss auf monatlich 1.000,00 EUR.
- Sofern das Einkommen der Kindesmutter in den Kalenderjahren 2015 bis 2021 jeweils unter 80.000,00 EUR liege, werde der Kläger den Differenzbetrag durch entsprechende Unterhaltszahlungen ausgleichen, begrenzt auf maximal 20.000,00 EUR pro Jahr.
- Das mietfreie Wohnen stelle eine Unterhaltsleistung des Ehemannes dar. Für den Fall, dass der Kläger das begrenzte Realsplitting in Anspruch nehmen werde, verpflichte sich die Ehefrau, die Anlage U zu seiner Einkommensteuererklärung zu unterzeichnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 00.00.2014, Urkundenrolle Nr. xxx des Notars S. T., verwiesen.
Der ältere Sohn, E., mietete im Jahr 2016 eine eigene Wohnung an.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 10.09.2018, Urkundenrolle Nr. xxx des Notars C., verkaufte der Kläger das streitbefangene Grundstück an Herrn S. M.. Als Kaufpreis wurden 1.130.000,00 EUR vereinbart, wovon 30.000 EUR auf das Inventar entfielen. Die Übertragung des Besitzes erfolgte am 00.00.2018.
Der Beklagte erließ am 13.05.2019 einen Einkommensteuerbescheid für 2018 (Streitjahr), in dem er den Veräußerungsvorgang nicht berücksichtigte. Der Steuerbescheid erging gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Erläuterungsteil wurde der Kläger gebeten, zwecks Überprüfung, ob der oben genannte Vorgang bezüglich des 2014 erworbenen hälftigen Miteigentumsanteils eine steuerpflichtige Veräußerung i. S. des § 23 EStG darstelle, Stellung zu nehmen und den Kaufvertrag sowie ggf. eine Berechnung des Gewinns einzureichen.
Der Kläger teilte mit, dass er das Hausgrundstück zusammen mit der Kindesmutter und seinen Kindern bis zur Trennung als Familienwohnung gemeinsam bewohnt habe. Im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung habe man sich darauf verständigt, dass der minderjährige Sohn F. das Objekt zusammen mit seinem Bruder E. und der Mutter unentgeltlich bewohnen dürfe. Als Vater sei er, der Kläger, gegenüber seinen unterhaltsberechtigten Söhnen verpflichtet, für die Unterbringung zu sorgen. Dem sei er durch die Überlassung des Objektes nachgekommen. Zur Beaufsichtigung des minderjährigen Sohnes habe die Mutter aus dem Betreuungsgedanken heraus unentgeltlich im Objekt bleiben dürfen. Da F. im Streitjahr das Abitur abgelegt habe und volljährig geworden sei, seien die Söhne und auch die Kindesmutter ausgezogen. Anschließend habe er, der Kläger, das Objekt veräußert. Da das Objekt nach der Trennung der Eltern von den Kindern weiterhin unentgeltlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei, er kindergel...