Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterziehungszinsen bei ESt-Vorauszahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Werden die Besteuerungsgrundlagen in der ESt-Jahreserklärung wissentlich falsch erklärt und deshalb die ESt-Vorauszahlungen nicht in zutreffender Höhe festgesetzt, können Hinterziehungszinsen für hinterzogene ESt-vorauszahlungen festgesetzt werden.
Normenkette
AO §§ 370, 233a; EStG § 37 Abs. 3, 5; AO § 235 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Hinterziehungszinsen.
Die Kläger sind Erben des am xx.xx.2015 verstorbenen A.. Dieser wurde bis 2003 mit seiner in diesem Jahr verstorbenen Ehefrau zusammen und ab 2004 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Der Erblasser erzielte unter anderem Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Zahnarzt.
Die Zeitpunkte des Eingangs der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2003 bis 2005 und für die Vorjahre beim Beklagten sowie der hierauf ergangenen Einkommensteuerbescheide und die Höhe der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlages und der anzurechnenden Beträge (Zinsabschlagsteuer und Kapitalertragsteuer) ergeben sich aus der folgenden Übersicht (alle Beträge in EUR):
Jahr |
Eingang |
Bescheid |
ESt |
SolZ |
1999 |
28.8.2002 |
18.8.2004 |
13.100,32 |
720,52 |
2000 |
12.9.2002 |
25.9.2002 |
17.719,33 |
974,56 |
2001 |
24.3.2003 |
15.4.2003 |
25.616,75 |
1.408,92 |
2002 |
6.5.2005 |
12.8.2005 |
14.672,00 |
806,96 |
2003 |
13.1.2006 |
25.8.2006 |
0,00 |
0,00 |
2004 |
21.7.2006 |
25.8.2006 |
0,00 |
0,00 |
2005 |
25.8.2007 |
11.10.2007 |
4.497,00 |
247,33 |
Teilweise waren zuvor Schätzungsbescheide ergangen.
In den Bescheiden für 1999 bis 2004 wurden erklärungsgemäß folgende Kapitalerträge und Werbungskosten sowie Steueranrechnungsbeträge (Kapitalertragsteuer und Zinsabschlagsteuer) berücksichtigt:
Jahr |
Kapitalerträge |
Werbungskosten |
Abzug ESt |
Abzug SolZ |
1999 |
23.190 DM |
238 DM |
126 DM |
6,93 DM |
2000 |
190 DM |
0 DM |
312 DM |
17,13 DM |
2001 |
80.336 DM |
0 DM |
376 DM |
20,63 DM |
2002 |
174 € |
0 € |
188 € |
10,28 € |
2003 |
147 € |
0 € |
107 € |
5,87 € |
2004 |
139 € |
0 € |
112 € |
6,12 € |
Für das Jahr 1999 erging am 2.12.2004 ein Änderungsbescheid, mit dem die Einkommensteuer auf 13.119,75 EUR heraufgesetzt wurde. Für das Jahr 2000 ergingen am 23.10.2002 und am 7.11.2002 geänderte Bescheide, mit denen die Einkommensteuer auf 17.654,91 EUR bzw. 17.527,09 EUR festgesetzt wurde. Für das Jahr 2001 ergingen Änderungsbescheide am 8.8.2003 und am 25.8.2006. Mit diesen Bescheiden wurde die Steuer auf 25.882,62 EUR bzw. 26.223,14 EUR festgesetzt. Sämtliche Änderungsbescheide betrafen nicht die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Für das Jahr 2001 wurden die Steueranrechnungsbeträge auf 388,– DM (ESt) bzw. 21,26 DM (SolZ) erhöht.
Einkommensteuer-Vorauszahlungen setzte der Beklagte für die jeweiligen Quartale wie folgt fest:
Bescheid vom |
Festsetzung ab |
ESt |
SolZ |
19.2.2001 |
I/2001 |
6.306 DM |
346 DM |
|
I/2002 |
3.224 € |
176 € |
10.12.2004 |
IV/2004 |
0 € |
0 € |
|
I/2005 |
3.224 € |
177 € |
6.6.2005 |
II/2005 |
0 € |
0 € |
|
I/2006 |
806 € |
44 € |
Der Festsetzung durch den Bescheid vom 19.2.2001 lagen die geschätzten Besteuerungsgrundlagen für 1999 zu Grunde. Die Herabsetzungen zum IV. Quartal 2004 und ab dem II. Quartal 2005 erfolgten aufgrund der Anträge des damaligen Steuerberaters des Erblassers vom 7.12.2004 und vom 3.6.2005.
Im Rahmen einer Selbstanzeige im Jahr 2010 erklärte der Erblasser Kapitalerträge sowie Erträge aus privaten Veräußerungsgeschäften aus einem seit Ende der 1970er-Jahre gemeinsam mit seiner Ehefrau unterhaltenen Depot bei der B-Bank/Schweiz nach, woraufhin der Beklagte im Februar 2011 geänderte Einkommensteuerbescheide erließ. Zugleich setzte der Beklagte Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) fest. Die Selbstanzeige umfasste auch Kapitalerträge für die Vorjahre. Im Einzelnen wurden folgende Kapitalerträge und Werbungskosten nacherklärt:
Jahr |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
Erträge |
653.586,24 DM |
645.513,67 DM |
625.111,09 DM |
249.487,97 € |
WK |
32.869,70 DM |
43.114,48 DM |
46.787,00 DM |
24.124,39 € |
Erträge HEK |
0 DM |
0 DM |
13.247,72 DM |
7.728,32 € |
WK HEK |
0 DM |
0 DM |
1.949,54 DM |
791,44 € |
Priv. VGewinn |
7.356,46 DM |
216.422,86 DM |
-10.199 DM |
7.114,74 € |
Anrechenb. Steuer |
0 DM |
0 DM |
0 DM |
593,44 € |
Jahr |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
Erträge |
205.025,90 € |
224.600,87 € |
243.969,79 € |
189.179,25 € |
WK |
14.053,77 € |
26.672,55 € |
14.022,53 € |
13.788,62 € |
Erträge HEK |
5.114,49 € |
9.019,45 € |
9.100,98 € |
17.979,70 € |
WK HEK |
1.570,19 € |
706,74 € |
2.428,41 € |
3.330,61 € |
Priv. Veräuß-G |
4.788,99 € |
39,57 € |
0 € |
-8.456,30 € |
Anrechenb. Steuer |
474,75 € |
0 € |
593,44 € |
2.117,91 € |
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schlussbericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C-Stadt vom 16.3.2011 Bezug genommen.
Die zwischen den Beteiligten unstreitigen Festsetzungen für die Streitjahre beliefen sich auf folgende Beträge (jeweils in EUR):
|
ESt |
SolZ |
Zinsen § 233a |
2003 |
77.874,00 |
4.283,07 |
26.049,00 |
2004 |
81.948,00 |
4.507,14 |
23.556,00 |
2005 |
101.379,00 |
5.575,84 |
22.016,00 |
2006 |
86.255,00 |
4.744,02 |
12.730,00 |
Bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2004 berücksichtigte der Beklagte nicht die im Bericht der Steuerfahndung ausgewiesenen Werbungskosten in Höhe von 26.673 EUR...