Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahl getrennter Veranlagung durch den Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Insolvenzverwalter ist befugt, für den Insolvenzschuldner das Veranlagungswahlrecht auszuüben.
2) Die Ausübung des Wahlrechts zur nachträglichen getrennten Veranlagung ist nicht deswegen missbräuchlich, weil das FA gezahlte LSt an den Ehegatten teilweise erstatten muss, während die beim Insolvenzschuldner sich ergebenen Zahllasten nicht beigetrieben werden können.
Normenkette
InsO §§ 35, 80; AO § 42; EStG § 26
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin befugt war, Einspruch gegen den an die Beigeladene zu 1. adressierten Einkommensteuerbescheid für 2012 einzulegen und das Veranlagungswahlrecht auszuüben.
Das Amtsgericht E eröffnete am ….2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen zu 1. (Aktenzeichen … IK …/12) und ernannte die Klägerin zur Treuhänderin (§ 313 der Insolvenzordnung –InsO– a.F.). Am …2012 eröffnete das Amtsgericht E das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemannes der Beigeladenen zu 1., den Beigeladenen zu 2., Herrn M (Aktenzeichen …IK …/12), und ernannte die Klägerin auch hier zur Treuhänderin. Das Insolvenzverfahren des Beigeladenen zu 2. wurde am …2014 aufgehoben.
Am 06.09.2013 gaben die Beigeladenen ihre Einkommensteuererklärung für 2012 bei dem Beklagten ab, in der sie eine Zusammenveranlagung beantragten. Darin erklärten sie ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Unterschrieben war die Erklärung von den Beigeladenen. Als Empfangsbevollmächtigte wurde in der Erklärung die Klägerin benannt. Ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten wirkten bei der Erstellung der Erklärung mit.
Am 07.11.2013 erließ der Beklagte für die Zeiträume ab Eröffnung der jeweiligen Insolvenzverfahren erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide für 2012 und gab diese den Beigeladenen getrennt bekannt. Die Beigeladenen leiteten die Bescheide jeweils an die Klägerin weiter. Aus dem Abrechnungsteil der Bescheide ergab sich eine Nachzahlungsverpflichtung der Beigeladenen zu 1. von 24,89 € und des Beigeladenen zu 2. von 12,61 €. Ebenfalls am 07.11.2013 erstellte der Beklagte Steuerberechnungen für die Klägerin als Treuhänderin der Beigeladenen für die Zeiträume bis zur Eröffnung der Insolvenzverfahren. Danach ergaben sich Insolvenzforderungen von 36,48 € bei der Beigeladenen zu 1. und von 48,76 € bei dem Beigeladenen zu 2. Wegen der weiteren Einzelheiten, vor allem zur Berechnung der Nachzahlungsbeträge und der Insolvenzforderungen, wird auf die genannten Bescheide und Steuerberechnungen Bezug genommen.
Am 04.12.2013 legte die Klägerin als Insolvenzverwalterin der Beigeladenen Einspruch gegen die Bescheide vom 07.11.2013 ein und beantragte eine getrennte Veranlagung.
Beigefügt waren dem Einspruchsschreiben nicht unterschriebene Einkommensteuererklärungen der Beigeladenen. Die Klägerin führte zur Erläuterung aus, dass die Erklärungen keiner Unterschrift bedürften, da der Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verpflichtet sei, auf der Grundlage der bisherigen Besteuerungsgrundlagen eine erneute Veranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchzuführen, wenn die Eheleute, bzw. in diesem Fall sie als Treuhänderin, dies innerhalb der Einspruchsfrist beantragten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.03.2005 III R 60/03). Die nunmehr eingereichten Erklärungen dienten somit nur der Erleichterung bei der erneuten Veranlagung nach § 26a EStG.
Auf den Einwand des Beklagten, dass sie als Treuhänderin nicht befugt sei, über das insolvenzfreie Vermögen der Beigeladenen zu verfügen, trug die Klägerin Folgendes vor: Nach der Rechtsprechung des BFH werde das Veranlagungswahlrecht bei Insolvenz eines Ehegatten durch dessen Insolvenzverwalter oder Treuhänder ausgeübt (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21.06.2007 III R 59/06). Einkommensteuererstattungen, die während des Insolvenzverfahrens entstünden und aus einer Lohnsteuerüberzahlung resultierten, gehörten in vollem Umfang zur Insolvenzmasse (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 29.01.2010 VII 188/09). Der Antrag betreffe daher nicht das insolvenzfreie Vermögen.
Der Beklagte verwarf den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 07.07.2014 als unzulässig. Zur Begründung führte er Folgendes aus: Es sei zwar zutreffend, dass dem Insolvenzverwalter das Veranlagungswahlrecht nicht abgesprochen werden könne, jedoch habe die Klägerin im vorliegenden Fall keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, ohne Zustimmung der Beigeladenen einen Antrag auf getrennte Veranlagung zu stellen, da der betreffende Einkommensteuerbescheid zu Recht nicht ihr, sondern der Beigeladenen bekanntgegeben worden sei. Der Hinweis der Klägerin, dass das Anfechtungs- und Klagerecht während des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergehe, greife im Streitfall nicht. Dies gelte nur, wenn der Insolvenzverwalter verfügungsbefugt sei, was hier jedoch ...