Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildung, duales Studium
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Anspruch auf Kindergeld besteht auch für ein Kind, das nach einem vorgefertigten Plan eine duale Ausbildung zunächst zum Industriekaufmann mit IHK-Abschluss absolviert und anschließend ein Studium an einer Berufsakademie zum "Bachelor of Arts (Business Administration)" aufnimmt, wenn daneben eine befristete Teilzeitbeschäftigung von über 20 Stunden besteht, deren Geschäftsgrundlage das weitere Studium ist.
2) Der Begriff des Ausbildungsdienstverhältnisses i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ist weitergehend als derjenige der Berufsausbildung nach §§ 4 ff., 52 BBiG; er umfasst sämtliche Dienstverhältnisse, die eine Ausbildungsmaßnahme zum Gegenstand haben.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2., S. 3, § 63 Abs. 1 S. 2; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung von Kindergeld für Zeiten eines sog. dualen Studiums.
Der Kläger bezog für seinen im Jahr 1991 geborenen Sohn Q. Kindergeld. Q. nahm nach Ende seiner Schulausbildung im August 2011 eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann (Einzelunternehmen) bei der U. GmbH & Co. KG in J-Stadt auf; die Ausbildung sollte drei Jahre andauern. Auf den Berufsausbildungsvertrag vom 6.10.2010 wird Bezug genommen.
Am 31.1.2012 hoben die U. GmbH & Co. KG und der Sohn des Klägers den vorgenannten Ausbildungsvertrag zum 31.7.2012 einvernehmlich auf und schlossen gleichzeitig einen neuen Berufsausbildungsvertrag zum Industriekaufmann, der zum 1.8.2012 in Vollzug gesetzt werden und bis zum 31.1.2014 andauern sollte. Ferner wurde vereinbart, dass Q. ebenfalls ab 1.8.2012 ausbildungsbegleitend ein sechssemestriges Studium an der Berufsakademie in I-Stadt zum „Bachelor of Arts (Business Administration)” absolviert. Die Studienkosten sollten die U. GmbH & Co. KG und der Sohn des Klägers je zur Hälfte tragen. Für den Kündigungsfall vereinbarten die Vertragsbeteiligten eine – ggf. anteilige – Rückzahlungsverpflichtung des Kostenanteils der U. GmbH & Co. KG durch den Sohn des Klägers. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Aufhebungsvereinbarung sowie die Vereinbarung über das ausbildungsbegleitende Studium jeweils vom 31.1.2012 verwiesen.
Am 14.1.2014 bestand Q. vor der … Industrie- und Handelskammer die Abschlussprüfung zum Industriekaufmann. Mit Wirkung zum 15.1.2014 schlossen die U. GmbH & Co. KG und der Sohn des Klägers ein bis zum Abschluss des Bachelor-Studiums befristetes Arbeitsverhältnis. Die Entlohnung erfolgte – im Hinblick auf Freistellungen für die Vorlesungen – in Höhe von 80 v.H. der Entgeltgruppe (EG) 8 bzw. 9. Auf den Arbeitsvertrag vom 13.1.2014 wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Der Kläger beantragte im April 2014 die Fortzahlung des Kindergeldes für Q. im Hinblick auf dessen noch andauerndes Studium an der Berufsakademie.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.5.2014 ab und führte an, Q. habe seine erste Berufsausbildung zum Industriekaufmann bereits abgeschlossen. Die besonderen Berücksichtigungsvoraussetzungen von § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lägen nicht vor.
Die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 26.5.2014 begründete die Beklagte damit, dass sich Q. infolge seines Studiums an der Berufsakademie zwar in einer (weiteren) Berufsausbildung befände. Es handele sich jedoch um eine Zweitausbildung. Dies gelte auch, wenn während eines Studiums eine Berufsausbildung abgeschlossen werde, und zwar unabhängig davon, ob die beiden Ausbildungen sich inhaltlich ergänzten. Q. stünde neben seinem Studium seit dem 15.1.2014 in einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von über 20 Stunden/Woche. Damit werde die zeitliche Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG überschritten.
Der Kläger vertritt dagegen die Auffassung, ihm stehe auch für die Zeiten ab Februar 2014 Kindergeld zu. Es handele sich um ein ausbildungsbegleitendes Studium, das trotz abgeschlossener Ausbildung zum Industriekaufmann noch fortdauere.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 20.5.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.5.2014 zu verpflichten, für seinen Sohn Q. Kindergeld ab Februar 2014 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung nebst Unterlagen sowie auf die Kindergeldakte Bezug genommen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die – hinsichtlich des Sachverhalts vergleichbare – rechtskräftige Entscheidung des erkennenden Senats vom 11.4.2014 (4 K 635/14 Kg, EFG 2014, 1117) hingewiesen.
Auf entsprechende Nachfrage des Berichterstatters hat die U. GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 28.7.2014 ausgeführt, dass ein Kooperationsverhältnis zur Berufsakademie bestehe. Der Sohn des Klägers stehe dem Betrieb an drei Werktagen je Woche zur Verfügung. Selbständige operative Tätigkeiten übe er nicht aus. Er besuche eine Vielzahl von unternehmensinternen Schulungen un...