Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft, Eingliederungsmerkmale. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: V R 5/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG entsprechend der in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL rechtsformunabhängig getroffenen Regelung unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der Begriff „juristische Person” auch Personengesellschaften umfassen kann.
2. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Geltung des Einstimmigkeitsprinzips für besondere Beschlüsse unschädlich, wenn die Beschlüsse, bei denen Einstimmigkeit erzielt werden muss, keinen Einfluss darauf haben, dass der Organträger die Aufgabe des „Steuereinnehmers” für die Organgesellschaft zu erfüllen hat.
3. Im vorliegenden Fall ist die wirtschaftliche Eingliederung gegeben. Zudem ist es im Hinblick auf die deutliche Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung im Übrigen auch unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1; MwStSystRL Art. 11; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft im Streitjahr 2016, bei der die Klägerin die Organgesellschaft und ihre Kommanditistin die Organträgerin ist.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die mit Gesellschaftsvertrag vom 27.05.2009 gegründet wurde. Zweck der Gesellschaft ist nach § 2 des Vertrags der Handel mit sowie das Erwerben, Verwalten und Vermieten von Geräten aller Art, insbesondere von mobilen Krananlagen nebst entsprechendem Zubehör.
Komplementärin der Klägerin war bis zum 02.03.2017 die U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH, die bis zum 16.10.2016 als C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH firmierte. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH waren seit der Gründung, d.h. auch im Streitjahr, Herr XC sen. (bis zum 03.03.2017), Herr XC jun. und NC. Alleingesellschafter der U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH war im Streitjahr Herr XC sen. Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 01.08.2017 (Aktenzeichen: 82 IN 58/16) ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH mangels Masse abgelehnt worden. Seit dem 03.03.2017 ist die X u N. Verwaltungsgesellschaft UG Komplementärin der Klägerin.
Alleinige Kommanditistin der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 10.000,– € war zunächst die KC GmbH & Co. KG. Mit Vertrag vom 26.02.2016 veräußerten die Gesellschafter der KC GmbH & Co. KG ihre Kommanditanteile an die KC GmbH. Am 27.02.2016 beschloss die Gesellschafterversammlung der KC GmbH & Co. KG, dass ihre Komplementärin mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft austrete, so dass das Vermögen der KC GmbH & Co. KG aufgrund des Austritts der Komplementärin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Anwachsung) auf die verbleibende Kommanditistin, die KC GmbH überging. In der Gesellschafterversammlung vom 13.10.2016 ist dann die Umfirmierung der KC GmbH in die U GmbH beschlossen worden. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH waren XC jun. und NC. Gesellschafter der KC GmbH bzw. U GmbH waren im Streitjahr 2016 XC sen. (Kapitalanteil 22.500,00 € = 90% der Anteile), XC jun. (Kapitalanteil 1.250,00 € = 5% der Anteile) und NC (Kapitalanteil 1.250,00 € = 5% der Anteile). Unter dem 13.08.2016 stellte der Beklagte und unter dem 24.10.2016 die Klägerin selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der vorläufige Insolvenzverwalter erstellte am 03.03.2017 ein Gutachten zur Insolvenzeröffnung. Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 08.03.2017 (Aktenzeichen: 82 IN 46/16) ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U GmbH (zuvor: KC GmbH) eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt L bestellt, der in dieser Eigenschaft zum vorliegenden Verfahren beigeladen wurde (im Folgenden: Beigeladener).
Nach § 5 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin war jeder persönlich haftende Gesellschafter alleinvertretungsberechtigt und befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit sich oder als Vertreter eines Dritten uneingeschränkt zu vertreten. Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, durfte die Komplementärin nach § 5 Nr. 2 des Vertrags, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung vornehmen. Gesellschafterbeschlüsse bedurften nach § 8 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, soweit in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder dem Gesellschaftsvertrag nicht anders bestimmt ist, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Enthaltungen wurden dabei nicht mitgezählt. Nach § 8 Nr. 3 des Vertrags gewährten jede 1.000,– € eines Kapitalanteils eine Stimme; die Komplementärin hatte eine Stimme.
Mit Vertrag vom 12.06.2016 verkaufte die KC GmbH (später umbenannt in U Gmb...