Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Dividendenschein aufgrund eines entgeltlichen Verpflichtungsgeschäfts auf eine andere Person übergeht. Dieses ist nicht der Fall, wenn das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderungen nicht vollständig auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht.
Normenkette
EStG § 43a Abs. 1 Nr. 1, § 44a Abs. 8 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob für zwei Gewinnausschüttungen Kapitalertragsteuer abzuführen ist.
An der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in A-Stadt, ist der X-Verband (im Folgenden: X-V) zu 100 % beteiligt.
Am 17.12.2004 schloss der X-V mit der B-Bank AG, Filiale A-Stadt (im Folgenden: B-Bank), eine als „Forfaitierungsvertrag” überschriebene Vereinbarung. In der Präambel des Vertrages führten die Parteien aus, dass der X-V im Hinblick auf seine Haushaltslage die Bilanzgewinne für 2004 und 2005 auf abdiskontierter Basis im Wege „einer echten Forfaitierung” bereits im Kalenderjahr 2004 liquiditätswirksam vereinnahmen wolle.
Zu diesem Zweck verkaufte der X-V den auszuschüttenden Bilanzgewinn für 2004 in Höhe von EUR XXXXXX,YY sowie den auszuschüttenden Bilanzgewinn für 2005 in Höhe von EUR XXXXXX,YY an die B-Bank und trat diese zugleich an die B-Bank ab, die die Abtretung annahm (§ 1 Abs. 1 und 2 des Forfaitierungsvertrages). Im Gegenzug verpflichtete sich die B-Bank zur Zahlung des Barwerts der Forderungen, der sich unter Zugrundelegung eines Abzinsungssatzes von 3,242 % von dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des zu entrichtenden Kaufpreises errechnete (§ 3 Abs. 1 und 2 des Forfaitierungsvertrages).
Der Kauf erfolgte – vorbehaltlich der §§ 3 bis 5 des Forfaitierungsvertrages – unter Ausschluss des Rückgriffs auf den X-V. Nach § 4 des Forfaitierungsvertrages versicherte und garantierte der X-V verschuldensunabhängig die Entstehung, die Einredefreiheit und den Fortbestand der Forderungen bis zur vollständigen Erfüllung. Eine Haftung für die Zahlungsfähigkeit der Klägerin übernahm der X-V hingegen nicht (§ 4 Satz 5 des Forfaitierungsvertrages).
Gemäß § 5 Abs. 1 des Forfaitierungsvertrages war auf erste Anforderung der B-Bank der Kaufpreis neben Zinsen in Höhe des Abzinsungssatzes und Auslagen für die Zeit von der Zahlung des Kaufpreises zu erstatten, wenn die Klägerin die Zahlung unter Berufung auf bestimmte Gründe, die in § 4 des Forfaitierungsvertrages genannt werden, verweigern sollte. Sollte die B-Bank hingegen bereits vor Fälligkeit der Forderungen die Unrichtigkeit der Zusicherungen nachweisen, sollte eine Rückzahlung ebenso auf erste schriftliche Anforderung der B-Bank erfolgen (§ 5 Abs. 2 des Forfaitierungsvertrages).
§ 6 des Forfaitierungsvertrages bestimmte zudem, dass der X-V im Falle einer verspäteten Zahlung für den Überfälligkeitszeitraum Zinsen in Höhe des Abzinsungssatzes (3,242 %) zu zahlen haben sollte.
Daneben verpflichtete sich der X-V zur Erstattung der Gebühren, Steuern und Abgaben, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Forderungen und/oder der Geltendmachung sowie Vereinnahmung der Forderungen zu zahlen sein würden oder bei der Bank bzw. zu wirtschaftlichen Lasten der Bank bei der Klägerin einbehalten würden (§ 8 des Forfaitierungsvertrages).
Die Auszahlung des jeweiligen Barwerts der Dividendenansprüche durch die B-Bank erfolgte am 23.12.2004.
Nachdem die Gesellschafterversammlung am 17.06.2005 bzw. 23.06.2006 die Gewinnausschüttungen beschlossen und die Dividenden ausgeschüttet hatte, gab die Klägerin Kapitalertragsteuer-Anmeldungen für die Zeiträume 06/2005 und 06/2006 ab, in der sie die Höhe der Kapitalertragsteuerschuld mit jeweils EUR 0,– angab.
Aufgrund der Feststellungen der nachfolgenden Betriebsprüfung änderte der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung die eingereichten Kapitalertragsteuer-Anmeldungen und setzte Kapitalertragsteuer in Höhe von 10 % des ausgeschütteten Gewinns nebst Solidaritätszuschlag fest, weil das Bonitätsrisiko zumindest teilweise bei dem X-V verblieben sei.
Hiergegen hat die Klägerin unmittelbar Klage erhoben. Nach Zustellung der Klageschrift am 21.07.2008 hat der Beklagte der Sprungklage am 19.08.2008 zugestimmt.
Die Klägerin meint, die Regelungen des Forfaitierungsvertrages entsprächen den Regelungen eines Forderungskaufvertrages, sodass keine Kapitalertragsteuer abzuführen sei. Maßgebend sei das Kriterium der Regresslosigkeit. Dieses beziehe sich nicht auf alle mit dem Forderungsverkauf und der Übertragung verbundenen Komponenten, sondern lediglich auf das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Schuldners (Bonität). In § 2 des Forfaitierungsvertrages werde ausdrücklich bestimmt, dass – vorbehaltlich der §§ 3 bis 5 des Forfaitierungsvertrages – die Forderung unter Ausschluss des Rückgriffs a...