Entscheidungsstichwort (Thema)

Masterstudium eines Diplom-Finanzwirts als anspruchsschädliche Zweitausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn ein Diplom-Finanzwirt mit abgeschlossener Fachhochschulausbildung ein berufsbegleitendes Masterstudium „Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht” an einer Universität aufnimmt, während er seine berufliche Tätigkeit beim Finanzamt mit 28,7 Wochenstunden fortführt, besteht für ihn kein Kindergeldanspruch mehr.

2. An einer Ausbildungseinheit fehlt es, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient.

3. Bei der Betrachtung mehrerer Ausbildungsabschnitte ist zu berücksichtigen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung somit nach ihrem äußeren Erscheinungsbild neben der Ausbildung durchgeführt wird.

4. An der erforderlichen Einheit zweier Ausbildungsabschnitte fehlt es, wenn das Masterstudium zwingend eine Berufstätigkeit zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsabschnitt voraussetzt.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte gegenüber dem Kläger Kindergeld festzusetzen hat.

Der Kläger ist Vater des Kindes C B (geb. am …1998).

Von Juli 2016 bis August 2019 absolvierte das Kind C nach dem Abitur im Jahr 2016 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in D, das es am …08.2019 als Diplom-Finanzwirt (FH) abschloss. Danach war C ab September 2019 zunächst 41 Stunden pro Woche beim Finanzamt E beruflich tätig.

Ab dem Wintersemester 2020 nahm C ein berufsbegleitendes Masterstudium „Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht” an der Universität F auf. Ab Oktober 2020 reduzierte C den Umfang seiner beruflichen Tätigkeit beim Finanzamt E auf 70% (28,70 Stunden).

Am 31.10.2020 beantragte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn C ab dem Monat Oktober 2020.

Mit Bescheid vom 04.01.2021 (Bl. 151 der Kindergeldakte) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung trug die Beklagte vor, dass das Kind C seine erste Berufsausbildung bzw. sein Erststudium abgeschlossen habe und sich in einer weiteren Berufsausbildung befinde. Eine Ausbildung, die sich an den Erwerb eines berufsqualifizierenden Abschlusses anschließe, sei nur dann als weiterführender Ausbildungsteil der Erstausbildung zuzurechnen, wenn der erste erworbene Abschluss integraler Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs sei. Dies sei dann der Fall, wenn das angestrebte Berufsziel des Kindes einen weiteren Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten bzw. dem gleichgestellten Ausbildungsgang oder ein berufsqualifizierendes Studium voraussetze und ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehe. Sofern nach dem ersten Ausbildungsabschnitt eine praktische Berufstätigkeit erforderlich sei, bevor das Kind den nächsten Ausbildungsabschnitt angehen könne bzw. die Ausbildung fortsetzen dürfe, führe die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit zu einem Einschnitt, der den notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang entfallen lasse. Das Kind C habe eine absolvierte praktische Berufstätigkeit benötigt, bevor es den nächsten Ausbildungsabschnitt habe angehen können bzw. die Ausbildung habe fortsetzen dürfen. Daher sei der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten nicht gegeben.

Hiergegen legte der Kläger am 28.01.2021 per e-mail Einspruch ein (Bl. 154 der Kindergeldakte). Zur Begründung trug der Kläger vor, sein Sohn C habe das Studium an der Universität F zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen, da sich der Abschluss des Diploms und die Bewerbungsfrist für das Master-Studium überschnitten hätten. Aus diesem Grunde sei eine frühere Aufnahme des Master-Studiums nicht möglich gewesen. Zudem habe der Bundesfinanzhof im Urteil vom 23.01.2020 (III R 72/18) deutlich gemacht, dass er es nicht für gerechtfertigt halte, einzig aus der Prüfungs- oder Zulassungsvoraussetzung einer Berufstätigkeit eine Zäsur der einheitlichen Erstausbildung anzunehmen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes erfüllt seien. Der Kläger verweist ferner auf Art. 6 GG, woraus sich für das Steuerrecht ein Förderungsgebot ableiten lasse.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2021 (Bl. 210 der Kindergeldakte) wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Im Streitfall seien die Voraussetzungen für eine einheitliche Erstausbildung nicht erfüllt, da es sich bei dem Masterstudium um eine Weiterbildung handele. Es fehle im Streitfall an dem erf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge