Entscheidungsstichwort (Thema)
Beauftragung einer anderen Finanzbehörde mit einer Außenprüfung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 18/21)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die zuständige Finanzbehörde kann andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen, wobei eine Ermessensentscheidung zu treffen ist.
2. Die Prüfungsanordnung, aus welcher sich die Ermessenserwägungen für den Auftrag ergeben müssen, kann sodann von der beauftragten Behörde erlassen werden.
3. Der beauftragten Behörde kommt gleichfalls die Entscheidungskompetenz über einen Einspruch gegen die Prüfungsanordnung zu.
Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Durchführung einer Auftragsprüfung erfordert nicht nur die Begründung, weshalb die Außenprüfung nicht durch das zuständige Wohnsitz- oder Betriebsstättenfinanzamt, sondern auch, warum sie gerade durch das beauftragte Finanzamt vorgenommen werden soll.
Normenkette
AO §§ 195, 19 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Beklagten erlassene Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung, die dieser im Auftrag des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts J erlassen hat, rechtmäßig ist.
Der Kläger ist Steuerberater und erzieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Am 20.01.2020 wurde durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen 2017 und 2018 sowie wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 2018 ein steuerliches Strafverfahren eingeleitet.
Mit Schreiben vom 23.07.2020 erteilte das Finanzamt J dem Beklagten den Auftrag, eine Auftragsprüfung beim Kläger nach § 195 S. 2 AO und § 193 Abs. 1 AO wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer der Jahre 2015 bis 2018 durchzuführen. Der Beklagte erließ daraufhin am 20.08.2020 die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung gegenüber dem Kläger. In der Anordnung führte der Beklagte aus, dass er mit der Prüfung durch das Finanzamt J beauftragt worden sei.
Der Kläger legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das für den Kläger zuständige Finanzamt das Finanzamt J sei. Eine Auftragsprüfung durch den Beklagten dürfe nur dann erfolgen, wenn dessen Beauftragung rechtmäßig erfolgt wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Es könne zwar bei Steuerberatern grundsätzlich zulässig sein, dass eine wechselseitige Zuständigkeitsvereinbarung getroffen werde, es seien aber gleichwohl immer alle Umstände des Einzelfalls zu beachten. Beim Kläger seien bereits mindestens zwei Betriebsprüfungen durch das Finanzamt J durchgeführt worden. Seinerzeit seien gegen ihn auch steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig gewesen. Das Finanzamt J habe diese Prüfung dennoch durchgeführt und, obwohl konkret Reibungen eher zu erwarten gewesen wären, keine Auftragsprüfung beauftragt. Es sei nicht verständlich, warum nunmehr die Situation anders zu beurteilen sein solle. Beim Kläger habe sich kein Betriebsprüfer beschwert, dass der Kläger die Prüfer in irgendeiner Form unflätig behandelt hätte oder es unbotmäßig viele Reibungen gegeben habe. Da zudem auch Vorgänge des Klägers seit 2009 offen und mit Wechselwirkung zu beachten seien und das Finanzamt J ohnehin für die Rechtsbehelfe zuständig bleibe, sei eine Prüfung durch ein anderes Finanzamt im konkreten Fall ermessenswidrig. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Es sei nicht ersichtlich, warum es dienlich sein solle, seine persönlichen Umstände nun auch noch einem weiteren Finanzamt zu offenbaren. Dies gelte erst recht, da die eingelegten Rechtsbehelfe der Jahre seit 2009 dann auch noch einmal mit dem Finanzamt J verhandelt werden müssten. Diese Wechselwirkung und allgemeine Abstimmung mit dem Finanzamt habe auch bereits konkrete Auswirkungen auf die aktuelle Prüfung, wie sich aus den bereits vorliegenden Prüferanfragen ergebe.
Der Beklagte holte in der Folgezeit eine Stellungnahme des Finanzamtes J zu den dort angestellten Ermessenserwägungen ein. Mit Schreiben vom 24.09.2020 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er dessen Einspruch gegen die Prüfungsanordnung nicht entsprechen könne und führte zur Begründung unter anderem im Einzelnen aus, dass seine Beauftragung mit der Durchführung der Außenprüfung nach § 195 S. 1 AO ermessensgerecht gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2020 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Zulässigkeit einer Außenprüfung gemäß § 193 Abs. 1 AO gegeben sei, weil der Kläger freiberuflich tätig sei. Gemäß § 195 S. 1 AO würden Außenprüfung grundsätzlich von dem für die Besteuerung zuständigen Finanzamt durchgeführt. Der Gesetzgeber sehe aber ausdrücklich in § 195 S. 2 AO vor, dass auch eine andere Finanzbehörde mit der Außenprüfung beauftragt werden könne. Das für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt J habe dem Beklagten nach § 195 S. 2 AO einen Auftrag für die Prüfung beim Kläger erteilt. Dar...