Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Steuerbefreiung für ein Familienheim
Leitsatz (redaktionell)
Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b EStG entfällt rückwirkend, wenn die Erbin das Familienheim zwar weiterhin zu eigenen Wohnzwecken nutzt, es aber unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter überträgt.
Normenkette
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4b
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) rückwirkend entfallen ist, weil die Klägerin das von ihrem verstorbenen Ehemann ererbte Familienheim unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf ihre Tochter übertragen hat.
Die Klägerin hat ihren am 00.00.0000 verstorbenen Ehemann ausweislich des Testaments vom 29.09.2008 als Alleinerbin beerbt. Zum Nachlass gehörte auch der hälftige Anteil an dem Grundbesitz A-Straße 1 in T, der bis zum Tod des Erblassers von den Eheleuten und nunmehr allein von der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde und wird.
Durch Erbschaftsteuerbescheid vom 28.04.2014 setzt der Beklagte die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest und stellte dabei den Erwerb des Grundbesitzes A-Straße 1 gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG steuerfrei. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid in der Erbschaftsteuerakte hingewiesen.
Durch notariellen Vertrag vom 15.10.2014 übertrug die Klägerin den Grundbesitz A-Straße 1 im Wege der Schenkung auf ihre Tochter unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts zu ihren Gunsten, aufgrund dessen sie das Haus weiterhin zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
Mit Bescheid vom 04.11.2014 änderte der Beklagte daraufhin die Erbschaftsteuerfestsetzung und setzte die Erbschaftsteuer auf X Euro, weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, fest. Er vertrat dabei die Auffassung, dass die Voraussetzungen des Nachversteuerungstatbestands des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG erfüllt seien, weil die Klägerin das Eigentum an dem Grundbesitz A-Straße 1 auf ihre Tochter übertragen habe. Voraussetzung für den Behalt der Steuerbefreiung sei, dass der Grundbesitz vom Erwerber aus der Rechtsposition des Eigentümers zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde.
Gegen den Änderungsbescheid wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 28.11.2014, mit dem sie vortrug, die Rechtsauffassung des Beklagten widerspreche dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG. Danach komme es für die Nachversteuerung allein auf den Wegfall der Selbstnutzung an. An die Rechtsposition des Erwerbers als Eigentümer knüpfe die Vorschrift dagegen nicht an. Auch im Wege der Auslegung könne ein derartiges Ergebnis nicht erreicht werden. Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes sei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich, wenn nämlich die wortgetreue Gesetzesanwendung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspreche und zu einem offenbar sinnwidrigen Ergebnis führe, das durch die beabsichtigte Auslegung vermieden oder entscheidend gemindert würde, ohne andere Wertungswidersprüche hervorzurufen. Ein dem Wortlaut entgegenstehender gesetzgeberischer Wille sei vorliegend nicht erkennbar. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/11107, Seite 8) stelle ausdrücklich auf die tatsächliche Nutzung ab und benenne klarstellend die Konstellationen, die zu einer Aufgabe der tatsächlichen Selbstnutzung führten, nämlich die Vermietung, den Leerstand und den Verkauf. Damit werde der Wille des Gesetzgebers gerade durch eine wortlautgetreue Auslegung gestützt.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 09.11.2015 als unbegründet zurück. Er hielt an seiner Auffassung fest, dass die Selbstnutzung aus eigenem Recht des Erwerbers als Eigentümer erfolgen müsse und die Selbstnutzung als Nießbraucher nicht ausreichend sei. Er stützte seine Auffassung auf die Kommentierung in Moench/Weinmann Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Kommentar Rz. 38 zu § 13 ErbStG und verweist darauf, Steuerbefreiungsvorschriften seien als Ausnahmen von der Besteuerung regelmäßig nicht weit auszulegen.
Mit der Klage vom 30.11.2015 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung des Änderungsbescheides unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Einspruchsverfahren weiter. Sie verweist darauf, dass die wortlautgetreue Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG von der überwiegenden Mehrheit der Literaturstimmen befürwortet werde. Die Kommentierung bei Moench/Weinmann bleibe eine Begründung für die dort vertretene Auffassung schuldig. Soweit der Beklagte auf eine regelmäßig nicht weite Auslegung von Steuerbefreiungsvorschriften verweise, sei ein derartiger Auslegungsgrundsatz nicht bekannt. Im Übrigen sei die Nachversteuerungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG gerade keine steuerbefreiende, sondern eine steuerverschärfende Vorschrift. Es gehe vorliegend damit um eine steuerverschärfende Auslegung bzw. Analogie, die jedoch nur unter engen, hier nicht g...