rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn bei Veräußerung eines Teilbereichs einer Arztpraxis
Leitsatz (redaktionell)
Die Veräußerung des allgemeinmedizinischen Teilbereichs einer ärztlichen Praxis ist keine steuerbegünstigte Veräußerung einer Teilpraxis, wenn der Veräußerer weiterhin die Tätigkeitsbereiche "Psychotherapie" ind "Traditionelle Chinesische Medizin" ausübt, denn die einzelnen Tätigkeitsbereiche, bei denen jeweils die Behandlung von Patienten im Vordergrund steht, haben nicht eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 2-4, § 34 Abs. 1, § 18 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) bei einem Praxisverkauf im Jahre 1994 einen laufenden Gewinn oder einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat.
Die Klin. hatte in 1994 als Ärztin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. In der Einkommensteuer (ESt)-Erklärung für 1994 erklärte sie einen laufenden Gewinn in Höhe von 81.249 DM und einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 EStG in Höhe von 139.724 DM.
Die Klin. war seit 1983 im Haus Dweg in M als praktische Ärztin tätig gewesen. Seit 1985 bildete sie sich auf dem Gebiet der Psychotherapie weiter. Im Dezember 1987 absolvierte sie die Prüfung zur Fachärztin für psychotherapeutische Medizin. Nach Abschluß der Ausbildung zur Psychotherapeutin im August 1988 wurde sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Dortmund – Sitz des Zulassungsausschusses Psychotherapie – als Psychotherapeutin geführt und seit 1990 auf der dort geführten Therapeutenliste aufgeführt. Ihr Name wurde den Patienten auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Seitdem darf sie bei psychotherapeutischen Behandlungen qualifikationsgebundene Ziffern abrechnen.
In 1983 begann sie mit einer Ausbildung in traditioneller chinesischer Medizin (TCM). In 1985 legte sie die erste Prüfung über Akupunktur ab. 1995 bestand sie nach ständiger Fortbildung eine Prüfung bei der SMS (Ärztegesellschaft für traditionelle chinesische Medizin) mit Sitz in München. Schon vor 1994 wurde sie von dieser Gesellschaft auf Anfrage von Patienten als TCM-Ärztin genannt.
Zum 01.09.1994 veräußerte die Klin. den Bereich „Allgemeinmedizin” an den praktischen Arzt Dr. (P.). Gemäß diesem Vertrag veräußerte sie an P. den Bereich Allgemeinmedizin mit einem Potential von ca. 4.000 bis 5.000 Patienten. Die bislang von der Klin. beschäftigte Arzthelferin war ab dem Übertragungszeitpunkt Angestellte von P.. Dieser übernahm von der Klin. neben dem Patientenstamm im allgemeinmedizinischen Bereich auch im Wege eines Untermietverhältnisses die gesamten Praxisräume im Erdgeschoß sowie die Telefonnummer der veräußerten Allgemeinpraxis. Die Klin. richtete sich im Souterrain einen bislang von ihr als Abstellraum benutzten Raum als Sprechzimmer völlig neu ein und beantragte für ihre Praxis mit den Tätigkeitsbereichen Psychotherapie (PT) und TCM eine neue Telefonnummer. Sie beschäftigte kein ärztliches Hilfspersonal und teilte mit P. die Kosten der Putzfrau (20 %-Anteil), des ärztlichen Hilfspersonals (5 %) sowie der Raumkosten (25 %) und der Raumnebenkosten (10 %).
Das Finanzamt (FA) berücksichtigte im ESt-Bescheid 1994 vom 16.09.1997 den Gewinn aus der Veräußerung des Teilbereichs „Allgemeinmedizin” als laufenden Gewinn und nicht als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 EStG.
Zur Begründung des dagegen eingereichten Einspruchs trug die Klin. vor, sie habe sämtliche in § 1 des Kaufvertrages aufgeführten Wirtschaftsgüter veräußert. Die der Psychotherapie dienenden Arbeitsmittel bestünden ausschließlich in ihrer Person. In dem Bereich der chinesischen Medizin habe sie lediglich ca. 800 Akupunkturnadeln übernommen. Auf Aufforderung des FA trug sie im Einspruchsverfahren zum Sachverhalt ergänzend vor, daß sie für die Zeit vor der Veräußerung des allgemeinmedizinischen Bereichs für die Terminplanung im Zusammenhang mit der psychotherapeutischen Tätigkeit kein Personal benötigt habe. Die Termine, die nie mehr als 10 pro Woche hätten sein können, habe sie selbst gemacht. Die Terminplanung für die frühere allgemeinmedizinische Tätigkeit habe eine Helferin erledigt. Es habe keine getrennten Patientenkarteien gegeben, da sowohl PT-Patienten als auch Allgemeinpatienten von ihr behandelt worden seien. Für die Patienten seien die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche vor der Praxisveräußerung nur dadurch erkennbar gewesen, daß sie bei der Allgemeinmedizin einen Kittel getragen habe, nicht aber bei der PT.
Nach der Veräußerung habe auf ihrem Schild nicht mehr „Praktische Ärztin”, sondern nur noch „Ärztin” gestanden. Die Anmeldung habe den Patienten, die zu ihr wollten, keine Termine mehr gegeben. Die Patienten seien dagegen an ihre neue Telefonnummer verwiesen worden, um mit ihr persönlich Termine zu vereinbaren. Der Praxiserwerber habe die Telefonnu...