Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines behaupteten Kirchenaustritts aus der Evang. Kirche in der ehemaligen DDR

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Kirchenaustritt in der ehemaligen DDR war streng formalisiert und nur wirksam, wenn die nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen gültigen formellen Voraussetzungen beachtet wurden.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137; KiStGBy Art. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das beklagte evang.-luth. Kirchensteueramt zu Recht für das Jahr 1998 Kirchensteuer auch gegenüber dem Kläger festgesetzt hat.

Der am ... 9. 1966 in A. (Sachsen) in der ehemaligen DDR geborene und am ...02.1967 in der evangelischen Kirche zu B (Sachsen) getaufte Kläger ist seit 1. 8. 1991 in C. in Bayern gemeldet und hier - ebenso wie beim zuständigen Finanzamt D. - „ohne Konfession“ erfasst. Seit ... 1998 ist er mit der Klägerin, deren Zugehörigkeit zur Evang.-Luth. Kirche unstreitig ist, verheiratet.

Mit Anschreiben vom 11. 11. 1999 bat das Kirchensteueramt den Kläger um Mithilfe bei der Klärung seiner Konfessionszugehörigkeit. Auf dem ihm zugesandten Fragebogen teilte der Kläger am 23. 11. 1999 mit, dass er evangelisch getauft sei, heute aber keiner Kirche bzw. Religionsgemeinschaft mehr angehöre. Die Fragen nach einem vollzogenen Kirchenaustritt wurden von ihm nicht beantwortet.

Aufgrund einer Rücklage des Kirchensteueramtes bei der Evang. Kirchengemeinde zu B. , die ergeben hatte, dass ein Kirchenaustritt des Klägers dort nicht angezeigt sei, bat die Behörde den Kläger mit Schreiben vom 11. 9. 2000 erneut um Angabe, wann und wo der Kirchenaustritt erfolgt sei. Im Antwortschreiben vom 4. 11. 2000 führte der Kläger u. a. folgendes aus: „Soweit mir bekannt, hat mich meine Mutter (im Zusammenhang mit Ablehnung von Religionsunterricht und Konfirmation meinerseits) im Zeitraum von ca. 1980 - 1982, nach Rückfrage beim Pfarramt B. bei der zuständigen Gemeinde (vormals Einwohnermeldeamt) kirchlich abgemeldet. Eine Bescheinigung über den Kirchenaustritt liegt mir daher nicht vor.“

Nachdem das Kirchensteueramt mit Schreiben vom 28. 11. 1999 den Kläger auf die in der ehemaligen DDR gültigen Rechtsvorschriften über einen Kirchenaustritt hingewiesen hatte, setzte es mit Bescheid vom 10. 1. 2001 die Kircheneinkommensteuer 1998 in Höhe von 754,16 DM fest, ausgehend von der Kirchenzugehörigkeit beider Kläger. Zur Begründung des gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruchs schrieb der Kläger am 8. 3. 2001 u. a. wie folgt: „Desgleichen besprach ich nach 1980 mit meinen Eltern, daß ich eine weitere Kirchenzugehörigkeit ablehne. Meine Mutter versicherte mir, entsprechend behördliche Schritte bei der Gemeinde bzw. der Kirche einzuleiten. Es ist mir unbekannt, inwieweit eine Einzelerklärung bezüglich des Kirchenaustritts abgegeben wurde, bzw. ob meine Eltern eine entsprechende Austrittsbescheinigung erhielten.“

Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Nach ausführlicher Darlegung der Rechtslage, unter Hinweis und auszugsweiser Zitierung einer Reihe einschlägiger Gerichtsurteile, wurde er vom Kirchensteueramt mit Einspruchsentscheidung vom 20. 11. 2001 (je eine Ausfertigung den Klägern zugestellt am 24. 11. 2001) als unbegründet zurückgewiesen. Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit ihrer Klage vom 21. 12. 2001 wenden sich die Kläger gegen die für sie festgesetzte Kircheneinkommensteuer 1998. Zur Begründung hat ihre Prozessbevollmächtigte im wesentlichen vorgetragen.

Der Kläger sei nicht kirchensteuerpflichtig. Frau MZ. , die mittlerweile verstorbene Mutter des Klägers, habe für ihren minderjährigen Sohn im Frühjahr 1980 den Austritt aus der Kirche vor dem zuständigen Beamten in B. (Sachsen), in beglaubigter Form, erklärt. Diese Austrittserklärung könne der Vater des Klägers, Herr VZ. , bezeugen.

Der fehlende Eintrag des Kirchenaustritts des Klägers in den Kirchenbüchern, wovon der Kläger bis zum Jahr 2000 nichts gewusst habe, könne keine Kirchensteuerpflicht begründen. Der Austritt sei formell ordnungsgemäß erklärt worden. Der Verlust der Austrittserklärung bei den zuständigen Behörden dürfe dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. 9. 1983 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1986, 176) könne die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche auch auf andere Weise als durch Urkunden und Bescheinigungen nachgewiesen werden.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Klägervertreterin, insbesondere zur Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, dem kirchlichen Besteuerungsrecht in der DDR und dem Datenabgleich hinsichtlich der Religionszugehörigkeit zwischen Meldebehörden und Kirchen (in Thüringen), wird auf ihren Klageschriftsatz vom 21. 12. 2001 Bezug genommen. Nachgetragen hat die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 13. 6. 2002, dass der Zeuge VZ. zwischenzeitlich verstorben sei.

Der Kläger habe beantragt , unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. 11. 2001 den Kirchene...

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