Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anerkennung der in R 38 Abs. 3 LStR 2005 festgelegten Entfernungsgrenze von 30 km für Fahrtkosten bei Einsatzwechseltätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Einsatzwechseltätigkeit sind die tatsächlichen Fahrtkosten oder der pauschale Betrag von 0,30 € je Fahrtkilometer (vgl. H 38 LStH 2005) nicht nur für solche Fahrten des Steuerpflichtigen anzusetzen, bei denen die Entfernung zum Wohnort mehr als 30 km beträgt.
Normenkette
EStG 2005 § 9 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist die Berücksichtigung der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen des Klägers.
Der Kläger erzielt als Betonbauer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit seiner Einkommensteuererklärung 2005 machte er für Fahrten mit dem eigenen Pkw von der Wohnung zu den jeweiligen Baustellen an insgesamt 207 Tagen Kosten pro gefahrenen Kilometer i.H.v. 0,30 € geltend, wobei die Entfernungen 4, 7, 11 und 38 Kilometer betrugen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einkommensteuererklärung nebst Anlagen verwiesen.
Mit Bescheid vom 02.05.2006 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 2005 auf 4.573 € fest. Es berücksichtigte dabei für Fahrtkosten zur jeweiligen Einsatzstelle bei einer Entfernung von weniger als 30 km lediglich die Pauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer. Die nach Abzug von Arbeitgeberleistungen verbliebenen Werbungskosten überstiegen den Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 920 € nicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29.12.2006 wurde der Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der BFH habe in seinen Urteilen vom 11.05.2005 (Az. VI R 70/03, BStBl. II 2005, 785; VI R 25/04, BStBl. II 2005, 791; VI R 16/04, BStBl. II 2005, 789; VI R 7/02, BStBl. II 2005, 782 und VI R 34/04, BStBl. II 2005, 793) entschieden, dass die 30-Kilometer-Grenze nicht mehr anzuwenden sei. Aus der Definition im Urteil vom 11.05.2005, Az. VI R 25/04 gehe eindeutig hervor, dass regelmäßige Arbeitsstätte der Betriebssitz oder jede sonstige dauerhafte betriebliche Einrichtung sei, der ein Arbeitnehmer zugeordnet sei, die er mit gewisser Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsuche. Es komme nicht darauf an, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer an der regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig werde und welche Tätigkeiten im Einzelnen verrichtet werden. Vielmehr gehe der BFH in seinen Entscheidungen von einem einheitlichen Begriff der Auswärtstätigkeit aus und unterscheide nicht zwischen Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit und Fahrtätigkeit.
Nach dem BFH-Urteil vom 11.05.2005, Az. VI R 70/03 seien Fahrten bei Auswärtstätigkeiten hinsichtlich des Werbungskostenabzugs einheitlich zu behandeln. Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs auf die Entfernungspauschale innerhalb des 30-Kilometer-Nahbereichs verstoße danach gegen das Nettoprinzip. Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 26.10.2005, IV C 5-S 2353-211/05 (BStBl. I 2005, 960) entspreche nicht der Rechtsprechung des BFH. In die Lohnsteuer-Richtlinien 2008 sei die Anweisung der Richtlinie 38 Abs. 3 LStR 2005 nicht mehr übernommen worden, was ein Indiz dafür sei, dass auch die Finanzverwaltung keine Unterscheidung mehr zwischen Einsatzwechseltätigkeit, Dienstreisen und Fahrtätigkeit treffe. In den Lohnsteuer-Richtlinien 2008 sei nur noch von Auswärtstätigkeit die Rede.
Auch in der Literatur gingen maßgebliche Stimmen davon aus, dass aufgrund der BFH-Urteile vom 11.05.2005 Fahrtkosten innerhalb der 30-Kilometer-Grenze nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten abzuziehen seien (Hinweis auf Strohmer/Weber 2005, 2267 Ziffer II. 3 Buchstabe b, bb; von Bornhaupt in NWB F 6 S. 4665 unter Ziffer IV, 4; Plenker in INF 2005, 738 Ziffer 2.1; Stahlschmidt in FR 2005, 1182 Ziffer III. 2; Albert in DB 2006, 522 Ziffer III. 3; Drenseck Lohnsteuer-Merkblatt 2006, Seite 5 d. Beilage Nr. 2/2006 zu DB Heft Nr. 2/2006; Bergkemper in FR 2005, 1114 Ziffer 4. a zu BFH VI R 34/04).
Für den Kläger wird beantragt, unter Änderung des Bescheids vom 02.05.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 29.12.2006 bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2005 Werbungskosten i.H.v. insgesamt 1.392 € zu berücksichtigen.
Für den Beklagten wird Klageabweisung beantragt und zur Begründung im wesentlichen Folgendes vorgetragen.
Die Auffassung des Klägers, nach den Urteilen des BFH vom 11.05.2005, insbesondere dem im Verfahren VI R 70/03 ergangenen Urteil, sei die Entfernungspauschale bei Fahrten der vorliegenden Art nicht anzusetzen, sei unzutreffend. Es könne daraus nicht abgeleitet werden, dass die "30-Kilometer-Grenze" (Hinweis auf R 38 Abs. 3 LStR) keine Geltung mehr habe. Der BFH habe im vorgenannten Urteil die Frage einer Begrenzung des Abzugs von Fahrtkosten nicht entschieden. Nach dem dieser Entscheidung zugrundeli...