Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz der Fahrtkosten eines Arbeitnehmers nach Reisekostengrundsätzen anstelle der Entfernungspauschale bei Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers an nur einem von fünf Arbeitstagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 und bestimmt der Arbeitgeber durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen (einschließlich Absprachen und Weisungen), dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem, vom Arbeitgeber festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten darf nur die Entfernungspauschale angesetzt werden.
2. Sucht der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers nur an einem von fünf Arbeitstagen auf, sind die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a, Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2014 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Vorarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Streitjahr suchte er ca. einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers, der Firma Fa. 1 (mit Firmensitz in B-Stadt), in K auf, um dort beruflichen Tätigkeiten, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Anschließend fuhr er auf die jeweiligen Baustellen, die er im Übrigen arbeitstäglich direkt von der Wohnung aufsuchte. Laut Bescheinigung der Firma Fa. 1 vom 03.11.2015 ist der Kläger keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für die Fahrten zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers wie folgt geltend:
Zeitraum |
betriebliche Einrichtung AG |
Aufwand |
13.01.2014 bis 12.12.2014 |
K |
43 Arbeitstage x doppelte Entfernung |
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440 km x 0,30 € = 5.676 € |
Das Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2014 (Bescheid vom 13.05.2015) im wesentlichen den Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte aber die beantragten Aufwendungen für die Fahrt des Klägers zur betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers nur mit der Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt 2.838 €.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger, vertreten durch ihre Steuerberaterin, mit Schreiben vom 01.06.2015 Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass der Kläger im Streitjahr 2014 nicht arbeitsvertraglich einer Tätigkeitsstätte seines Arbeitgebers zugeordnet gewesen sei. Diesbezüglich sei ein Bestätigungsschreiben der Firma Fa. 1 vorgelegt worden. Daher sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Nach diesen Kriterien liege keine erste Tätigkeitsstätte vor, da der Kläger je Arbeitswoche nicht zwei volle Arbeitstage bzw. nicht mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers in K tätig werde.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2015, auf die im Einzelnen verwiesen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger einmal wöchentlich zur ortsfesten, betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers in K fahre, um von dort mit Firmenfahrzeugen die wechselnden Baustellen aufzusuchen. Er sei dort mindestens einmal im Monat durch Hilfs- und Nebentätigkeit, wie das Beladen eines Firmenautos oder das Abgeben von Urlaubsanträgen und Stundenzetteln, tätig. Diese Art des Tätigwerdens reiche aus, um von einer dauerhaften Zuordnung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Feststellungen auszugehen. Eine weitere Überprüfung sei daher nicht mehr erforderlich.
Mit der dagegen erhobenen Klage vom 16.12.2015 verfolgen die Kläger ihr Begehren der steuerlichen Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen weiter.
Zur Begründung der Klage führt die Klägervertreterin im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger sei von seinem Arbeitgeber arbeitsvertraglich nicht einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet worden. Er sei ausschließlich auf wechselnden Baustellen tätig gewesen. Demnach sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte...