Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Betriebsübernehmers gemäß § 75 AO: Beurteilung der Übernahme eines Gebrauchtwagenhandels mit Internetauftritt
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Gebrauchtwagenhändler stellen bei den heutigen Marktbedingungen der Name und der Internetauftritt – zusammen mit der E-Mail-Adresse – mit die wesentlichsten Geschäftsgrundlagen eines Betriebes dar, so dass dem Übergang von Geschäftsnamen und Internetauftritt überragende Bedeutung für die Prüfung der Übereignung eines Betriebsteils im Sinne des § 75 AO zukommt.
Sind die Betriebsräume des übereigneten Unternehmens angemietet oder angepachtet, so ist es für die Haftung des Erwerbers ausreichend, dass der Veräußerer aktiv am Zustandekommen des Mietvertrags zwischen dem Erwerber und Eigentümer mitgewirkt hat
Normenkette
AO § 75
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 09.12.2011 als Betriebsübernehmerin gemäß § 75 Abgabenordnung – AO – für Steuerrückstände des X N in Anspruch nehmen durfte.
Die Klägerin ist seit mindestens April 2006 mit Herrn X N bekannt; damals wurde durch diesen eine gemeinsame Reise in die USA gebucht. Aus einer Verdienstabrechnung für 2007 der AAA, einer ehemaligen Firma des N (angemeldet zum 01.09.2001), ergibt sich, dass die Klägerin seit März 2007 bei dieser beschäftigt war und zu diesem Zeitpunkt auch schon unter der gleichen Anschrift wohnte wie N. Aus den Lohndaten in den Akten des Finanzamts ergibt sich, dass die Klägerin seit Anfang 2006 diese Wohnung gegenüber ihrem damaligen Arbeitgeber angegeben hat.
N hatte neben der AAA noch einen Gebrauchtwagenhandel US (angemeldet zum 22.04.2003). Gemeldeter Betriebssitz war für beide Gewerbe die Wohnanschrift des N. Stellplatz für die Fahrzeuge war die M in T.
In der Zeit vom 08.06.2009 bis zum 18.05.2010 wurden diese Gewerbe einer Außenprüfung durch das Finanzamt für die Jahre 2004 bis 2007 unterzogen, in deren Folge die Steuerfestsetzungen erhöht wurden. Diese Festsetzungen sind mittlerweile bestandskräftig.
Beide Gewerbe meldete N zum 31.05.2010 ab.
Den Akten des Finanzamts ist ein Ausdruck einer Internet-Seite (www.00000000.html; nicht mehr direkt erreichbar, aber abgespeichert unter http://web.archive.org/web/20110516212403/http://www. 00000000.html) zu entnehmen (Druckdatum 28.12.2010), die mit Impressum betitelt ist, in der als Firmenname US und als Inhaber N aufgeführt ist. Hier werden auch Telefonnummern und eine E-Mail-Adresse als Kontaktadressen genannt.
Die Klägerin meldete zum 09.11.2009 das Gewerbe "Handelsvertretung für Werkzeuge und Büroservice" neu an. Als Betriebssitz gab sie ihre Wohnanschrift (Anschrift auch des N) an. Zum 01.07.2010 meldete sie zudem das Gewerbe "Gebrauchtwagenhandel" an. Zum 31.05.2011 meldete sie die "vollständige" Aufgabe der Tätigkeiten "Handelsvertretung für Werkzeuge und Büroservice".
Den Akten des Finanzamts sind weitere Ausdrucke von Internet-Seiten zu entnehmen (www.autoscout24.de) in denen Pkw von der US angeboten werden (Druckdatum 28.10.2010, 25.03.2011 und 28.03.2011). Hier wird als Inhaberin die Klägerin aufgeführt und als Kontakttelefonnummern dieselben Nummern und als E-Mail-Adresse dieselbe Adresse genannt, die in dem zuvor genannten Ausdruck für N angegeben wurden. Im Ausdruck vom 28.03.2011 ist zudem N als Ansprechpartner für den Bereich "Mädchen für alles" genannt. Als Stellplatz wird in diesen Ausdrucken wie bei dem N betreffenden Ausdruck die M in T genannt.
Die Klägerin legte dem Finanzamt im Einspruchsverfahren gegen einen anderen Bescheid elf auf den 30.05.2010 datierte Quittungen vor, in denen N bestätigt, für elf jeweils mit Fahrzeugidentifikationnummer individualisierte Pkw Geldbeträge von der Klägerin in Höhe von insgesamt 11.400 € erhalten zu haben.
N schuldet dem Finanzamt u.a. fällige Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume April und Mai 2010. Die Rückstände betrugen zum 09.12.2011 insgesamt 3.900 € (USt-VA 4/10 1.662 €, USt-VA 5/10 2.238 €).
Mit Bescheid vom 09.12.2011 erließ das Finanzamt einen auf § 75 Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid wegen Steuerrückständen des N aus den Voranmeldungszeiträumen April und Mai 2010. Aus dem Haftungsbescheid und den Anlagen hierzu ergibt sich, dass das Finanzamt die Klägerin i.H.v. 780 € als Betriebsübernehmerin in Anspruch nahm, da N seinen Gebrauchtwagenhandel (US) der Klägerin im Ganzen übereignet hätte. Sie betreibe den Gebrauchtwagenhandel unter derselben Bezeichnung und in denselben Räumlichkeiten wie zuvor N. Zudem seien ihr am 30.05.2010 elf im Einzelnen bezeichnete Fahrzeuge von N verkauft worden, für deren Ankauf sie Quittungen vorgelegt hatte. Der Haftungsbetrag von 780 € ergebe sich im Wege einer Schätzung des Anteils für den Kfz-Handel mit 20%.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 wies das Finanzamt den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Diese habe ein lebendes Unternehmen erworben, da sie es ohne nennenswerte Aufwendungen habe fortführen können. Eine kurzfristige Stilllegung, wie si...