Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz für die Personenbeförderung im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen: Genehmigungsvoraussetzungen - Abgrenzung zum Gelegenheitsverkehr
Leitsatz (redaktionell)
1a) Ob ein "genehmigter Linienverkehr mit Schiffen" vorliegt, bestimmt sich in entsprechender Anwendung der für den "genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen" nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a. F. entwickelten Grundsätzen.
1b) Setzt das Landesrecht für Beförderungen von Personen mit Schiffen eine der Genehmigung nach dem PBefG vergleichbare Genehmigung voraus, hängt die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG von dieser Genehmigung ab.
1c) Erfordert das Landesrecht keine dem PBefG vergleichbare Genehmigung, liegt ein "genehmigter Linienverkehr mit Schiffen" im vorgenannten Sinne vor, wenn die Beförderungen der Sache nach hinsichtlich tatsächlicher Durchführung und rechtlichem Rahmen einem genehmigten Linienverkehr im Sinne des PBefG vergleichbar sind. Sofern das Gesetz dafür kein anderes Verfahren regelt, haben Finanzbehörden und Finanzgerichte das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu prüfen.
1d) Eine wasserrechtliche Genehmigung nach BayWG ist nicht mit einer Genehmigung nach dem PBefG vergleichbar, da die wasserrechtliche Genehmigung aufgrund eines erheblich abweichenden Prüfungsmaßstabs erfolgt und nicht wesentlich dem Verbraucherschutz dient.
2a) Auch eine nur saisonal angebotene Verkehrsanbindung kann als regelmäßig anzusehen sein, wenn innerhalb der Saison eine zeitnahe Ordnung der Fahren erkennbar ist.
2b) Werden Beförderungen von einer Mindestanzahl von Passagieren oder dem wirtschaftlichen Ertrag einer einzelnen Fahrt abhängig gemacht, liegt ein Unsicherheitselement für die Passagiere vor, das den Gelegenheitsverkehr kennzeichnet.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10; PBefG §§ 42, 46
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, inwiefern die Ausgangsumsätze der Klägerin als Beförderung von Personen im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Die Klägerin, eine Personengesellschaft, betreibt in 1 drei Personenschiffe auf dem linken Fluß A von der Altstadt bis zum Hafen und darüber hinaus auf dem Fluß B bis nach 2. Der Betrieb besteht seit mehreren Jahrzehnten und seit dem Jahr 2000 in der gegenwärtigen Rechtsform. Auf Antrag der Klägerin änderte die Stadt 1 die zuletzt im xxxx 2011 erneuerte wasserrechtliche "Genehmigung für den nichtliniengebundenen Personenverkehr (Gelegenheitsverkehr)" mit den Schiffen "Schiff 1" und "Schiff 2" am 27.03.2012 in eine "Genehmigung für den Linienverkehr" (Anlage K 5, Bl. 96 der FG-Akte). Unter dem Datum xxxxx 2012 erteilte sie zudem eine "Genehmigung für den Linienverkehr" mit dem Schiff "Schiff 3" (Bl. 372 der Ermittlungsakte), die sie am xxxx.2015 verlängerte.
In den Streitjahren 2012 bis 2016 bot die Klägerin unterschiedliche Fahrten an. Das Schiff "Schiff 3" mit einer Kapazität von rund 50 Personen pendelte sieben Monate nach festem Fahrplan zwischen einer Anlegestelle in der Altstadt auf dem linken Flussufer und einer Anlegestelle auf dem Gelände einer nördlich der Altstadt ausgerichteten Großveranstaltung. Die einfache Fahrt dauerte rund zehn Minuten. An beiden Anlegestellen konnten Fahrgäste zu- oder aussteigen. Fahrstrecke, Fahrplan und Fahrpreise waren in einem schriftlichen Vertrag vom Februar 2012 zwischen der Klägerin und der Trägergesellschaft der Großveranstaltung verbindlich festgelegt. Der Fahrkartenverkauf an diesen beiden Anlegestellen erbrachte 2012 Bruttoentgelte von XXX €. Die Schiffe "Schiff 1" und "Schiff 2" mit Kapazitäten von jeweils über 200 Personen wurden im gesamten Streitzeitraum für Rundfahrten eingesetzt, die an der Anlegestelle in der Altstadt auf dem rechten Flussufer begannen und endeten. Die Hafenrundfahrten fanden von März bis November abhängig von Wetter und Nachfrage statt, typischerweise täglich zwischen 11 und 16 Uhr im Stundentakt, sofern mindestens 20 Fahrgäste zusammenkamen. Zudem gab es in den Ferienzeiten mehrmals wöchentlich längere, von der Klägerin so bezeichnete, "Ausflugsfahrten" über das Stadtgebiet hinaus sowie Sonderfahrten auf Vorbestellung. Am 22.05.2012 und 23.05.2012 fiel die "Schiff 3" aus technischen Gründen aus und die Klägerin wickelte den Verkehr zu der Großveranstaltung im Rahmen der Rundfahrten ab.
Die Klägerin gab für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen ab, die als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkten. Im Januar 2017 begann der Beklagte (das Finanzamt) bei der Klägerin eine Außenprüfung, die in eine Fahndungsprüfung überging. Zum Abschluss der Prüfung trafen die Klägerin und das Finanzamt am 11.01.2018 eine tatsächliche Verständigung über die Höhe der angefallenen Fahrpreise. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen (BP-Akte Bl. 5 ff). In rechtlicher Hinsicht vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Ausgangsumsätze der Klägerin unterlägen vollständig de...