Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit des industriefinanzierten Teils eines Forschungsstipendiums für ein Promotionsstudium
Leitsatz (redaktionell)
1. Da eine Bescheinigung des Finanzamts nach EStR 3.44 zur Steuerfreiheit eines Forschungsstipendiums lediglich auf einer Verwaltungsvorschrift und nicht auf einer gesetzlichen Regelung beruht, stellt sie keinen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Einkommensteuerfestsetzung dar, so dass das Finanzgericht nicht an diese Bescheinigung gebunden ist.
2. Der von der Bank, d. h. der industriefinanzierte Teil des Forschungsstipendiums ist nicht nach EStR 3.44 steuerbefreit, da die Bank weder eine von der Körperschaftsteuer befreite gemeinnützige GmbH ist, noch eine privatrechtliche Körperschaft, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird.
Normenkette
EStG § 22; EStR R 3.44; AO § 171 Abs. 10 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das Promotionsstipendium der Klägerin zu 1 nach § 3 Nr. 44 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) insgesamt steuerfrei ist und ob der von der A gezahlte Anteil steuerpflichtige Einkünfte nach § 22 EStG darstellt.
Die Klägerin zu 1 wurde im Streitjahr 2012 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.
Bei Abgabe der Steuererklärung 2012 am 22.04.2013 zeigte sie an, dass sie vom 01.07.2012 bis voraussichtlich 30.06.2014 (verlängerbar bis maximal 31.12.2014) ein nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreies Stipendium des Europäischen Sozialfonds (ESF) erhalte. Die Seiten 1-2 des Zuwendungsbescheides vom 11.06.2012 waren beigefügt. Hierin bewilligt die Bank 1 auf Grundlage
- der Richtlinie des xxx Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst zur Förderung von aus dem Europäischen Sozialfonds mitfinanzierten Vorhaben in den Bereichen Hochschule und Forschung im Freistaat Z (RL ESF Hochschule und Forschung) vom 02. November 2010,
- der §§ 23 und 44 der Z- Haushaltsordnung (Z-HO) und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften (VwV-ZHO),
- des Operationellen Programms des Freistaates Z für den Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 und
- der gemeinschaftlichen Verordnungen (EG) 1038/2006, 1828/2006 sowie 1081/2006 in den jeweils gültigen Fassungen für die Vergabe von Strukturfondsmitteln aus dem Europäischen Sozialfonds
eine Zuwendung i.H.v. 19.200,00 € in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses. Zuwendungszweck war die Sicherung des Lebensunterhalts während der Durchführung des beantragten Graduierungsstudiums bis höchstens zur Einreichung der Promotionsschrift. Der Bewilligungszeitraum umfasste die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2014. Das monatliche Stipendium betrug 800,00 € und der Umfang der zuwendungsfähigen Ausgaben wurde mit 38.400,00 € beziffert.
Darüber hinaus machte die Klägerin zu 1 Aufwendungen für das Promotionsstudium von 5.640,35 € als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Das damalig zuständige Finanzamt 1 setzte mit Bescheid vom 12.09.2013 die Einkommensteuer 2012 antragsgemäß auf 16.225,00 € fest und bescheinigte der Klägerin zu 1 zur Vorlage bei der Krankenkasse mit Schriftsatz vom gleichen Datum, dass sie laut vorliegenden Unterlagen seit dem 01.07.2012 eine Förderung aus dem ESF - bewilligt durch die BANK 1 - von 800 € monatlich erhalte. Dieses Stipendium stelle steuerfreies Einkommen nach § 3 Nr. 44 EStG dar und sei daher nicht im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt worden.
Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 wurden in den Streitjahren 2013 und 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin zu 1 gab in den Einkommensteuererklärungen an, sie habe ein steuerfreies Promotionsstipendium von dem ESF bzw. der BANK 1 zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Ferner machte sie Aufwendungen für das Promotionsstudium i.H.v. 2.408,13 € (2013) und 2.833,00 € (2014) als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Mit Bescheiden vom 18.07.2014 bzw. 21.07.2015 setzte das Finanzamt 1 die Einkommensteuer 2013 auf 1.008,00 € und 2014 auf 2.761,00 € fest.
Im Februar 2016 erhielt das Finanzamt 1 durch eine Kontrollmitteilung Kenntnis davon, dass die Klägerin zu 1 aufgrund einer Kooperationsvereinbarung zwischen der A und der TU 1 und der Klägerin zu 1 vom 05.04.2012 für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.06.2014 ein Forschungsstipendium zur Erstellung ihrer Doktorarbeit i.H.v. monatlich 800,00 € durch die A erhalten hat.
Laut der Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin zu 1 zum Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft für die geplanten wissenschaftlichen Arbeiten sowie Vorlage einer Dissertation zum Thema: "XXX".
Laut der Bestimmung Nr. 20 des Zuwendungsbescheides vom 11.06.2012 ist der Zuwendungsempfänger verpflichtet, den Zahlungseingang des Mitfinanzierungsanteils durch den Industriepartner jeweils mit den Zwischenberichten...