Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind im Steuerbescheid anzugeben. Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern.
Normenkette
AO § 165 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Umfang der Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO.
Die Kläger wurden in den Streitjahren als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Neben einer nichtselbständigen Tätigkeit als Industriekaufmann betrieb der Kläger seit 1994 den "Verkauf von geräucherten und frischen Fischen aus eigenen Weihern" (vgl. Gewerbeanmeldung v. 25.03.1994). Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte.
In den Einkommensteuerbescheiden 1997 (v. 15.04.1999), 1998 (v. 03.01.2000), 1999 (v. 12.10.2001) und 2003 (v. 17.12.2004) berücksichtigte das Finanzamt die Einkünfte aus dem Fischhandel wie erklärt i.H.v. ./. 30.038 DM (1997), 1.476 DM (1998), ./. 13.510 DM (1999) und 196 € (2003).
Alle Bescheide waren nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO teilweise vorläufig. Zur Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO war in den Bescheiderläuterungen der Jahre 1997 bis 1999 ausgeführt: "Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil z.Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann." In den Bescheiderläuterungen 2003 heißt es hierzu: "Der Bescheid ist vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil zurzeit die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann."
Am 16.01.2006 erließ das Finanzamt (u.a.) für die Streitjahre nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geänderte Bescheide, die weiterhin teilweise vorläufig blieben. Anlass der Änderung war, dass bei der Veranlagung 2004 festgestellt wurde, dass in den Vorjahren die Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen nicht immer als Betriebsausgaben bzw. -einnahmen erfasst worden waren. Die Änderungen im Einzelnen ergeben sich aus der den Bescheiden beigefügten "Anlage zu den Steuerbescheiden 1995 - 2004". Das Finanzamt berücksichtigte nun Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ./. 29.446 DM (1997), 4.446 DM (1998), ./. 10.668 DM (1999) und 464 € (2003).In den Bescheiderläuterungen war dazu ausgeführt: "Die Festsetzung der Einkommensteuer ist vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil zurzeit die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann." "Auf die Anlage zu diesem Bescheid wird hingewiesen."
Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 16.01.2006 legte die Klägervertreterin für die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, die Änderungen seien vom Vorläufigkeitsvermerk nicht gedeckt. Das Finanzamt habe mit der bisher nicht berücksichtigten Umsatzsteuer einen Rechtsfehler berichtigt, obwohl die Bescheide nur hinsichtlich der Frage "Liebhaberei" (oder nicht) vorläufig ergangen seien. Hätte das Finanzamt die Gewinnermittlung als solche nicht bestandskräftig lassen werden wollen, hätte es die Bescheide auch unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen müssen.
Das Finanzamt wies die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 und 2003 vom 16.01.2006 mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 als unbegründet zurück. Nach Meinung des Finanzamts waren die Änderungen vom Vorläufigkeitsvermerk umfasst. Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte umfasse die gesamten Besteuerungsgrundlagen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH-Beschluss vom 22.12.1987 IV B 174/86, BStBl II 1988, 234). Ansonsten müssten auch für den Fall, dass die Entstehung der Steuer noch ungewiss sei, bereits umfangreiche Prüfungen unter Vorlage aller Unterlagen durchgeführt werden. Dies widerspreche dem Sinn der vorläufigen Steuerfestsetzung. - Hinsichtlich der Höhe der Änderung seien keine Fehler ersichtlich.
Im Klageverfahren berufen sich beide Seiten auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren, wobei die Klägervertreterin hier wie dort umfangreiches Material zur Rechtsgeschichte des § 165 AO, Auszüge aus Kommentaren und diverse Gerichtsurteile vorgelegt hat.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 und 2003, jeweils vom 16.01.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden, §§ 79a Abs. 3 und 4, 90 Abs. 2 FGO.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt durfte im Rahmen einer Bescheidänderung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO den Ansatz der Umsatzsteuer bei der Ermittlung des Gewinnes aus dem Fischhandel berichtigen.
Soweit...