Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsersuchen an eine Berufskammer zulässig
Leitsatz (redaktionell)
Verschwiegenheitspflichten, die sich aus Vorschriften einer Berufsordnung für Berufskammern ergeben, verdrängen nicht die Auskunftspflichten nach den Vorschriften der §§ 105, 93 AO.
Normenkette
AO §§ 93, 105, 249 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines an die Klägerin - einer Berufskammer - gerichteten Auskunftsersuchens zur Bankverbindung eines ihrer Mitglieder.
Der Beklagte hat Steuerforderungen (Einkommensteuer mit Nebenleistungen) gegen einen Berufsträger in Höhe von ca. 3.400 Euro. Dieser war Mitglied der Klägerin. Er lebte im Streitjahr mit seiner Familie im Geschäftsbereich des Beklagten; die Geschäftsräume und ein Nebenwohnsitz lagen im Zuständigkeitsbereich anderer Finanzämter.
Alle Vollstreckungsversuche des Beklagten blieben ergebnislos. Am 21.7.2004 forderte er die Klägerin deshalb unter Berufung auf §§ 249 Abs. 2, 93 AO auf, die Bankverbindung des Kammermitglieds mitzuteilen, über welche dieses die Kammerbeiträge entrichte; Anfragen beim "Steuerpflichtigen" seien erfolglos geblieben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieses Schreiben nicht.
Am 28.7.2004 teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, sie sehe sich aufgrund der Berufsordnung gehindert, die entsprechende Auskunft zu erteilen. Nach einem weiteren Schriftwechsel legte die Klägerin am 20.10.2004 gegen die Aufforderung zur Erteilung der Auskunft vom 21.7.2004 erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 16.11.2004).
Am 16.12.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen folgendes vor:
1. Für ein derartiges Auskunftsersuchen gebe es keine Rechtsgrundlage.
§ 93 AO diene lediglich der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen; im Steuererhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren gelte die Vorschrift nicht. Unabhängig davon stehe einem auf § 93 AO gestützten Auskunftsersuchen an die Klägerin die Vorschriften der Berufsordnung entgegen; auch deshalb seien die §§ 93, 105 AO unanwendbar. Kammervorstand und Angestellte der Kammer seien ohne Ausnahme zur Verschwiegenheit verpflichtet, Auskünfte seien allenfalls in gerichtlichen Verfahren möglich.
2. Auch wenn die §§ 93, 105 AO anwendbar seien, sei das Auskunftsverlangen wegen fehlender Bestimmtheit sowie unzureichender Begründung formell rechtswidrig bzw. nichtig (§§ 119, 93 Abs. 2 Satz 1 und 121 AO).
3. Das Auskunftsverlangen sei zudem materiell rechtswidrig:
a) Der Beklagte habe nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, beim Schuldner Erkenntnisse über Vermögenswerte zu erlangen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), weil der Beklagte diesem keine eidesstattliche Versicherung abverlangt habe. Dem Auskunftsverlangen stehe auch das Auskunftsverweigerungsrecht des § 102 Abs. 1 Nr. 3 b) AO entgegen. In Anbetracht der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz sei der Beklagte im übrigen gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an eine Entscheidung des Gerichtshofs gebunden.
b) Die Inanspruchnahme der Kammer sei ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte verkannt habe, dass es sich um einen besonderes schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Klägerin und ihrer Mitglieder handele. Die geforderte Auskunft über die Bankverbindung eines Mitglieds zerstöre das Vertrauen der Berufsträger in die Verpflichtung der Kammer zur Geheimhaltung und beeinträchtige die Kammerarbeit in unakzeptabler Weise. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Kammer und ihren Mitgliedern sei höher zu bewerten als die Durchsetzung von Steuerforderungen. Das Auskunftsersuchen sei unverhältnismäßig, zumal es nur um die Vollstreckung einer Steuerschuld von rund 3.400 Euro gehe.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid des beklagten Finanzamtes vom 21.7.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2004 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, er habe - anders als die Finanzbehörde in dem von der Klägerin genannten Fall des Gerichtshofs - sein Auskunftsersuchen nicht auf die allgemeinen Amtshilfegrundsätze gestützt, sondern ausdrücklich auf die §§ 93, 105 und 249 AO. Da alle Bemühungen, die Steuerforderung beim Schuldner beizutreiben, erfolglos geblieben seien, habe das Auskunftsersuchen auch an Dritte gerichtet werden dürfen. Der Vollstreckungsschuldner sei nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden, weil diese den Verlust der Zulassung zur Folge hätte haben können. Alle anderen Möglichkeiten habe er, der Beklagte, ausgeschöpft und als letztes Mittel die Klägerin um Auskunft über die Bankverbindung des Steuerschuldners gebeten. Es bedürfe nur eines Blickes in die Unterlagen, um die gewünschte Auskunft zu erteilen.
Im übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Rechtsvortrags der Beteiligten auf die Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Das Auskunftsersuchen ist rechtmäßig.
1. Der Beklagte hat sein Auskunftsbegehren zutreffend auf die §§ 93, 10...