Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für im Ausland studierende Kinder: Wohnsitzbegriff des § 8 AO
Leitsatz (redaktionell)
Der Inlandswohnsitz wird bei einem Auslandsaufenthalt der ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme wie einem Studium dient, auch bei von Anfang an bestehender Rückkehrabsicht nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH III R 52/09 vom 28.04.2010).
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 2; AO § 8
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger für seinen in China studierenden Sohn ab September 2013 Kindergeld zusteht.
Am 13.10.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Kindergeld über die Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes S (geb. am xx.02.1994) hinaus. Er teilte u. a. mit, dass S seine Schulausbildung voraussichtlich im Juli 2012 beenden werde. Nach der Aufforderung, anspruchsbegründende Unterlagen für eine Bewilligung von Kindergeld ab August 2012 vorzulegen, reichte der Kläger eine Bescheinigung der "Central Academy of Drama, Peking", ein, wonach S einen einjährigen Sprachkurs in der Zeit vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 absolviere.
In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 07.01.2013 ist für S vermerkt:
"Befristungstermin: 07.2013;
Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid".
Der Kläger übermittelte der beklagten Familienkasse weiterhin mit Schreiben vom 07.07.2013 eine Bescheinigung der University of China, wonach sein Sohn S als Bachelor Student zu einem von September 2013 bis Juli 2017 dauernden Studiengang in der Fakultät für Theater, Film und Fernsehen aufgenommen wurde.
Die Familienkasse setzte daraufhin mit Bescheid vom 16.07.2013 Kindergeld für S ab August 2013 fest. Das Kindergeld für S wurde nach Vollendung des 18. Lebensjahres durchgehend gezahlt.
In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 15.07.2013 ist für S vermerkt:
"Befristungsgrund: Ende der Übergangszeit;
Befristungstermin: 10.2013,
Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid".
Mit Schreiben vom 18.11.2013 fragte die Familienkasse beim Kläger an, ab wann und bei wem sein Sohn S in China lebe, wie lange er sich im Ausland aufhalte und wie oft er nach Deutschland zurückkehre.
Der Kläger gab daraufhin an, sein Sohn habe zunächst an der University of China an einem Sprachkurs teilgenommen (10.09.2012 - 15.07.2013) und dann im September 2013 das eigentliche Studium aufgenommen. Er werde sich bis zum Juli 2017 in China aufhalten und voraussichtlich einmal im Jahr für ca. ein bis eineinhalb Monate nach Deutschland zurückkehren und sich zu Hause aufhalten.
Der Kläger legte Flugtickets seines Sohnes vor, wonach dieser wie folgt geflogen sei:
05.09.2012 |
Frankfurt - Peking |
15.07.2013 |
Peking - München |
30.08.2013 |
München - Peking |
10.07.2014 |
Peking - München |
Auf Nachfrage der teilte der Kläger mit, sein Sohn habe sich nach einem chinesischen Sprachtest entschieden, das Studium in China aufzunehmen. Während des Sprachkurses hätten nur Winterferien von Mitte Januar bis Mitte Februar 2013 stattgefunden. Die studienfreien Zeiten in China seien generell von Mitte Januar bis Mitte Februar und von Mitte Juli bis Ende August.
Die Familienkasse hob daraufhin mit Bescheid vom 22.01.2014 die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2013 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf, da der Sohn seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde, habe, und forderte das für den Zeitraum von September bis Oktober 2013 gezahlte Kindergeld i. H. v. 368 € zurück.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und gab zur Begründung an, dass sein Sohn weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Der Bundesfinanzhof habe in einem Fall, in dem sich das Kind fünf Monate pro Jahr in Deutschland aufgehalten habe, die Beibehaltung des Wohnsitzes angenommen (BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BStBl II 2010, 1013). Die dort genannten fünf Monate seien keine starre Grenze. Die eineinhalb Monate dauernden Sommerferien verbringe sein Sohn zu Hause. Es sei unmöglich, für die kürzeren Winterferien nach Deutschland zurückzukehren. Auch ein Auslandsstudium sei als Ausbildung anzusehen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn lebe in China und habe daher keinen Wohnsitz in Deutschland mehr. Ein jährlicher Aufenthalt von ein bis eineinhalb Monaten in der elterlichen Wohnung sei nicht ausreichend. Solche Aufenthalte hätten keinen Wohncharakter.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des K...