Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis der Rücklage nach § 7g Abs. 7 zur Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG
Leitsatz (amtlich)
Den Veranlagungsbeamten trifft zwar die Pflicht, die eingereichte Steuererklärung auch anhand der Steuerunterlagen des Vorjahres und des Vorvorjahres auf Plausibilität zu überprüfen, er ist jedoch nicht verpflichtet, für diese Plausibilitätsüberprüfung Steuerunterlagen für bereits fünf oder sieben Jahre zurückliegende Veranlagungszeiträume heranzuziehen, wenn keine Gründe für eine besondere Überwachungsbedürftigkeit der Tatsache oder Anhaltspunkte für eine Heranziehung älterer Akten bestehen.
Ein Nebeneinander von Rücklagen nach § 7 g Abs. 7 und § 7 g Abs. 3 EStG ist gesetzessystematisch ausgeschlossen. Jede im Gründungszeitraum gebildete Rücklage fällt zwingend unter Absatz 7, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, oder unter Absatz 3, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 7 nicht vorliegen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 7 g Abs. 7
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Änderungsbescheides nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war von 1990 bis 1995 an der A Ingenieurgesellschaft GmbH mit zuletzt 46 v.H. beteiligt. Am 01.03.1995 eröffnete der Kläger ein Planungsbüro und erzielt seit dieser Zeit als Selbständiger Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit "Planungsbüro und Ingenieur". Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie mit dem Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Die Gewinnermittlung für die als "Planungsbüro und Ingenieur" benannte freiberufliche Tätigkeit des Klägers erfolgt gemäß § 4 Abs. 3 EStG. In der vom damaligen Steuerberater erstellten Gewinnermittlung für das Jahr 2000 war der Gewinn wegen der Bildung einer Ansparabschreibung um 30.000 DM niedriger ausgewiesen. In den Erläuterungen zur Gewinnermittlung 2000 war ausgeführt, dass eine Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 7 EStG (Ansparabschreibung für Existenzgründer) für die geplante Anschaffung einer Computeranlage (20.000 DM) und eines Kraftfahrzeugs (40.000 DM) in Höhe von 50% der geplanten Aufwendungen, also eines Betrages von 30.000 DM beantragt werde (Aufl. 2005).
Der erklärte Gewinn wurde vom Finanzamt unverändert übernommen.
Im Jahr 2001 und im Streitjahr 2002 wurde die Rücklage unverändert fortgeführt. In den Erläuterungen zur Gewinnermittlung für 2002 wurde vermerkt: "Ansparabschreibung § 7 g Abs. 7 EStG aus Kalenderjahr 2000 (Aufl. 2005)."
Für das Streitjahr 2002 erklärten der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 45.597 €. Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 16.04.2004 wurden die Kläger dementsprechend veranlagt.
In der Einnahme- und Überschussrechnung für das Jahr 2003 löste der Kläger die Rücklage in Höhe eines Betrages von 1.672,93 € auf. Sie wurde hierbei als Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG bezeichnet.
Mit daraufhin nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 16.11.2004 erhöhte das Finanzamt die festgesetzten Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 17.179 € (Auflösung der 7g-Rückstellung: 15.339 €; Verzinsung von 2 x 6%: 1.840 €) auf 62.776 €. In den Erläuterungen zur Festsetzung ist ausgeführt, dass der Kläger kein Existenzgründer i.S. des § 7 g Abs. 7 EStG sei.
Mit der Klage beantragt der Klägervertreter, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 16.11.2004 und die Einspruchsentscheidung dazu vom 12.10.2006 aufzuheben. Für den Fall des Unterliegens beantragt er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Er verweist wegen der Begründung der grundsätzlichen Bedeutung auf die Ausführungen in der Klageschrift auf Seite 8.
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Finanzamt seien keine Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Steuer führen würden. Die Beteiligung des Klägers an der A Ingenieurgesellschaft GmbH sei dem Finanzamt bereits vor Aufstellung der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Jahr 2000, in der die Rücklage nach 7g Abs. 7 EStG gebildet wurde, bekannt gewesen. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995 habe der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 17 EStG erklärt und dabei darauf hingewiesen, dass er seine Gesellschaftsanteile an der GmbH mit notarieller Urkunde des Notars B vom 10.03.1995 veräußert habe. Bei einer Behörde gelte das als bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergebe , ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankomme (vgl. BFH-Urteil vom 05.12.2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588). Eine Tatsache müsse der Finanzbehörde nur einmal bekannt gewesen sein und müsse nicht in jedem Veranlagungsjahr erneut bekannt gemacht werden.
Die Finanzbehörde hätte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht bereits bei der Veranlagung 2000, spätestens aber bei der Veranlagung 2002, etwaigen Unklarheiten und Zweife...