Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksbewertung bei Vorerbschaft
Leitsatz (amtlich)
Der gemeine Wert bzw. Verkehrswert von Grundstücken, welche durch Erbschaft auf einen nicht in der Verfügung befreiten Vorerben übergehen, ist in Sachverständigengutachten nicht regelmäßig mit 0 € zu beziffern.
Normenkette
BewG § 198; ImmoWertVO
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Ermittlung eines niedrigeren gemeinen Werts durch Sachverständigengutachten die in der Verfügung beschränkte Vorerbenstellung des Eigentümers dahingehend zu berücksichtigen ist, dass der Grundbesitzwert in Höhe von 0 € festzustellen ist.
Am 01.07.2010 verstarb E. Die Erblasserin war u.a. Eigentümerin des Grundstücks GGG (Gebäude- und Freifläche, Land- und Forstwirtschaft, Wohngebäude, Wirtschaftsgebäude und Grünland allgemein zu insgesamt 2.018 qm). Als Vorerbe nach seiner Tante E war der Kläger eingesetzt, als Nacherben dessen (zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen) Kinder. Der Kläger als Vorerbe war nicht von der Beschränkung in der Verfügung über Grundstücke befreit.
Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt P forderte das Lagefinanzamt Q am 03.03.2011 auf, den Grundbesitzwert auf den Todestag festzustellen und mitzuteilen. Die vom Finanzamt Q angeforderten Feststellungserklärungen gingen am 06.06.2011 beim Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 03.11.2011 stellte das Finanzamt für das Grundstück in GGG einen Grundbesitzwert in Höhe von 48.400 € fest.
Der Kläger legte Einspruch ein und ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vor, welches wegen der Verfügungsbeschränkung aufgrund der Anordnung der Vor-/Nacherbschaft und der daraus resultierenden fehlenden Handelbarkeit des Grundstücks einen Verkehrswert (Marktwert) im Sinn des § 194 BauGB von 0 € auswies. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid vom 03.11.2011 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 01.07.2010 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.08.2012 dahin zu ändern, dass der Grundbesitzwert für das Grundstück in GGG entsprechend dem Verkehrswertgutachten auf 0 € festgestellt wird.
Er begründet dies im Wesentlichen wie folgt:
Das Finanzamt verwehre zu Unrecht, den Nachweis über einen niedrigeren gemeinen Wert nach § 198 BewG zu führen.
(1) Nach dem Wortlaut des § 198 S. 1 BewG ("ist anzusetzen") habe das wertfeststellende Finanzamt keinen Ermessens- oder Korrekturspielraum hinsichtlich des Ansatzes des nachgewiesenen geringeren gemeinen Wertes, sondern sei zu dessen Ansatz verpflichtet, wenn er den Nachweis erbracht habe; dies sei durch das Gutachten geschehen.
(2) Das Gutachten stamme von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Die ImmoWertV und die WertR 2006 seien anzuwenden.
(3) Das Finanzamt sei an das Gutachten grundsätzlich gebunden und darauf beschränkt, dieses auf Mängel hin zu beurteilen. Das Finanzamt könne kein Gutachten fordern und dieses dann, wenn es keine Mängel aufweise, trotzdem für unanwendbar erklären.
(4) § 199 Abs. 1 BauGB ordne die Berücksichtigung aller den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen an. Die Rechte des Nacherben und der sie dokumentierende Nacherbenvermerk im Grundbuch seien solche Belastungen. Der nicht befreite Vorerbe sei rechtlich daran gehindert, das Grundstück wirksam zu verkaufen. Wer nicht verkaufen könne, könne im gewöhnlichen Geschäftsverkehr auch keinen Kaufpreis erzielen. Der in § 194 BauGB und 1.3 WertR 2006 enthaltene Verkehrswert sei durch den Preis bestimmt, der nach den rechtlichen Gegebenheiten ohne Rücksicht auf persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Ein Verfügungsverbot sei eine rechtliche Gegebenheit und nicht ein persönliches Verhältnis. Der erzielbare Kaufpreis wäre 0 € im Einklang mit den von § 198 S. 2 BewG geforderten Vorschriften.
Der Nacherbenvermerk sei durch seine Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs grundstücksbezogen und damit dessen Bestandteil.
(5) Das vorgelegte Gutachten könne nicht durch § 6 Abs. 1 ErbStG "overruled" werden. § 6 Abs. 1 ErbStG treffe keine Aussage zur Bewertung, sondern stelle nur klar, dass der Vorerbe den gesamten Erbanfall versteuern müsse. Das Erbschaftsteuerrecht müsse streng zwischen der Besteuerung dem Grunde nach und der die Steuerlast beziffernden Bewertung unterscheiden (BVerfG-Beschluss vom 07.11.2006 1 BvL 10/02); der Gesetzgeber dürfe diese beiden Sphären nicht vermischen. Nicht die Besteuerung des Vorerben, sondern die Bewertung seines Erwerbs sei hier streitig.
(6) Durch die Verweisung in § 198 S. 2 BewG auf § 199 Abs. 1 BauGB und die danach ergangenen Vorschriften öffne der Gesetzgeber für die Bewertung die vollständige Anwendung der Vorschriften, die außerhalb des BewG verankert seien. Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 BewG finde sich weder in § 194 BauGB noch in 1.3 WertR 2006. Das Finanzamt müsse gegen sich gelten lassen, dass der Gesetzgeber es unterlassen habe, dessen Anwendung auch im Ra...