Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer: Voraussetzungen für eine Aufrechnung in Bauträgerfällen
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Bauunternehmer seine Ansprüche auf Nachzahlung von Umsatzsteuer gegenüber einem Bauträger, an den er zuvor Bauleistungen unter fälschlicher Anwendung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft erbracht hatte, an das Finanzamt abgetreten, so kann das Finanzamt abgetretene, noch nicht verjährte Nachzahlungsansprüche des Bauunternehmers gegen einen sich aus dem berichtigten Umsatzsteuerbescheid des Bauträgers ergebenden Erstattungsanspruch aufrechnen.
2. Die Nachzahlungsansprüche des Bauunternehmers sind auch nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist noch nicht verjährt, wenn sich der Beginn der Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB in Fällen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage ausnahmsweise wegen Rechtsunkenntnis des Bauunternehmers hinausgeschoben hat.
Normenkette
Umsatzsteuer-Richtlinie Nr. 182a Abs. 11
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt) gegen einen Erstattungsanspruch der Klägerin mit abgetretenen Ansprüchen anderer Unternehmer aufrechnen durfte.
Die Klägerin ist Bauträgerin. Im Jahr 2012 bezog sie zahlreiche Eingangsleistungen von Bauunternehmern, bei denen die Klägerin und die leistenden Unternehmer übereinstimmend davon ausgingen, dass entsprechend Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 2005 die Klägerin als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer schulde.
Für das Jahr 2012 gab sie am 29.01.2014 eine Umsatzsteuererklärung ab, in der sie die Umsatzsteuer, die vom Leistungsempfänger geschuldet wird, mit 927.150,95 € und die Umsatzsteuerschuld insgesamt mit 903.217,16 € ermittelte. Dabei ging sie von der Rechtsauffassung in Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005 aus. Die Umsatzsteuererklärung wirkte als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 21.05.2014 gab die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ab, in der sie sich auf die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 22.08.2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl. II 2014, 128) bezog und die Umsatzsteuer, die vom Leistungsempfänger geschuldet wird, mit 791.152,78 € und die Umsatzsteuerschuld insgesamt mit 767.218,99 € ermittelte.
Das Finanzamt stimmte der berichtigten Umsatzsteuererklärung nicht zu, sondern erließ am 22.12.2016 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, der Gegenstand eines gesonderten Klageverfahrens ist und in dem es die Umsatzsteuer, die vom Leistungsempfänger geschuldet wird, mit 865.717,33 € feststellte und die Umsatzsteuer insgesamt auf 841.783,54 € festsetzte. Die Herabsetzung der Umsatzsteuer beruhte auf der Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl. II 2014, 128, soweit nach Auffassung des Finanzamts die tatsächlichen Voraussetzungen nachgewiesen waren. Daraus ergab sich ein Erstattungsbetrag von 61.433,62 €, gegen den das Finanzamt mit Erklärung vom 22.12.2016, zugestellt am 27.12.2016, mit abgetretenen Ansprüchen von sieben Bauunternehmern (Zedenten) aufrechnete. Die einzelnen Forderungen ergeben sich aus der Einspruchsentscheidung und aus den Abtretungserklärungen auf Bl. 14 ff. der vom Finanzamt vorgelegten Aktenheftung. Die Klägerin hat darüber einen Abrechnungsbescheid angefordert, in dem das Finanzamt entschied, dass der Erstattungsanspruch durch Aufrechnung erloschen sei. Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit der daraufhin erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen nicht vor. Die Verträge mit den Zedenten seien im Vertrauen auf die seinerzeit geltende Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ohne Mehrwertsteuer abgeschlossen worden. Jedenfalls seien etwa bestehende Nachzahlungsansprüche der Zedenten verjährt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Abrechnungsbescheid vom 24.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2017 zu ändern und einen Erstattungsanspruch von 61.433,62 € festzustellen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beide Beteiligte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Abrechnungsbescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-). Zwar ergab sich aus dem Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 22.12.2016 unter Berücksichtigung der zuvor geleisteten Zahlungen ein Erstattungsanspruch der Klägerin in der geltend gemachten Höhe. Dieser Erstattungsanspruch ist aber erloschen, weil das Finanzamt durch Abtretung von den Zedenten Ansprüche gegen die Klägerin in gleicher Höhe erworben und mit diesen Ansprüchen wirksam aufgerechnet hat. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
1. Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten nach § 226 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. Schulden zw...